In Köln wurden zwei herausragende Persönlichkeiten der Kunstwelt geehrt. Die Galeristin Andrée Sfeir-Semler erhielt den Art Cologne-Preis für ihre Verdienste als Brückenbauerin zwischen den Kulturen. Gleichzeitig wurde die Künstlerin Evelyn Taocheng Wang mit dem renommierten Wolfgang-Hahn-Preis ausgezeichnet, der ihre einzigartige künstlerische Position würdigt.
Beide Frauen, obwohl aus unterschiedlichen Generationen und mit verschiedenen Schwerpunkten, stehen für den interkulturellen Dialog und eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit Identität und Herkunft. Ihre Auszeichnungen unterstreichen die Bedeutung Kölns als zentralen Ort für die zeitgenössische Kunst.
Das Wichtigste in Kürze
- Andrée Sfeir-Semler, eine in Beirut geborene Galeristin, wurde mit dem Art Cologne-Preis 2025 ausgezeichnet.
- Evelyn Taocheng Wang, eine in China geborene Künstlerin, erhielt den Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst.
- Beide Preisträgerinnen werden für ihre Rolle als Vermittlerinnen zwischen verschiedenen Kulturen und Generationen gewürdigt.
- Eine Ausstellung mit Werken von Wang ist nun im Museum Ludwig zu sehen.
Andrée Sfeir-Semler: Eine Stimme für die arabische Kunst
In einer feierlichen Zeremonie in der Piazzetta des Historischen Rathauses überreichte Oberbürgermeister Torsten Burmester den Art Cologne-Preis an Andrée Sfeir-Semler. Die 1953 in Beirut geborene Galeristin gilt als eine der einflussreichsten Förderinnen zeitgenössischer Kunst, insbesondere aus dem arabischen Raum.
Sfeir-Semler betreibt Galerien in Hamburg und seit 20 Jahren auch in ihrer Heimatstadt Beirut. Mit dieser zweiten Galerie schuf sie eine wichtige Plattform, um Künstlerinnen und Künstlern aus dem Nahen Osten internationale Sichtbarkeit zu verschaffen. Ihre Arbeit geht weit über das reine Ausstellen hinaus; sie ist eine couragierte Fürsprecherin und Wegbereiterin.
Der Art Cologne-Preis
Der Art Cologne-Preis wird jährlich vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) und der Koelnmesse verliehen. Er ehrt Persönlichkeiten, die sich in herausragender Weise um die Vermittlung moderner und zeitgenössischer Kunst verdient gemacht haben. Die Auszeichnung unterstreicht die enge Verbindung zwischen der Stadt Köln und der internationalen Kunstszene.
Mehr als nur Dekoration
Mirjam Varadinis, Kuratorin des Kunsthauses Zürich, hob in ihrer Laudatio das tiefe Engagement von Sfeir-Semler hervor. Sie betonte, dass die Galeristin sich engagiere und nicht einfach nur dekoriere. Schon im Alter von 13 Jahren gründete Sfeir-Semler an ihrer Schule in Beirut eine Gruppe, die sich für Menschenrechte einsetzte – ein früher Hinweis auf ihren späteren Lebensweg.
Ihre Karriere begann sie mit Künstlerinnen wie Katharina Grosse, verlagerte ihren Schwerpunkt aber zunehmend auf Kunst aus der arabischen Welt. Namen wie Etel Adnan und Wael Shawky sind eng mit ihrer Galerie verbunden. Ihr untrügliches Gespür für Qualität hat ihr international Anerkennung eingebracht.
„Schön, dass der Art Cologne-Preis schon an so viele Frauen ging. Ich bin nun die erste Preisträgerin, die nicht in Europa geboren wurde. Danke Deutschland, dass ich Deutsche sein darf.“
Sichtlich bewegt nahm Sfeir-Semler den Preis entgegen. Oberbürgermeister Burmester würdigte sie als Vorbild und Brückenbauerin. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens ihrer Galerie veröffentlichte sie kürzlich das Buch „The Rise of Arab Art“, eine umfassende Darstellung der Kunstszene des Nahen Ostens seit den 1990er-Jahren.
Evelyn Taocheng Wang: Identität und die Kunst des Imitierens
Am Abend verlagerte sich der Fokus in das Museum Ludwig, wo die Gesellschaft für Moderne Kunst Evelyn Taocheng Wang mit dem Wolfgang-Hahn-Preis ehrte. Die 1981 in Chengdu, China, geborene und heute in Rotterdam lebende Künstlerin erlangte zuletzt auf der Biennale in Venedig große internationale Aufmerksamkeit.
Ihre Arbeiten erforschen Themen wie kulturelle Identität, Einwanderung und Geschlechterrollen. Sie verwebt persönliche Erfahrungen mit kunsthistorischen Bezügen und schafft so Werke von subtiler Tiefe und Vielschichtigkeit. Ihre Herangehensweise ist oft performativ und hinterfragt traditionelle Vorstellungen von Originalität.
Der Wolfgang-Hahn-Preis
Dieser Preis ist eine der renommiertesten Auszeichnungen für zeitgenössische Kunst in Europa. Er wird seit 1994 von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig vergeben und ist nach dem Kölner Sammler und Restaurator Wolfgang Hahn benannt. Der Preis beinhaltet den Ankauf eines Werkes für die Sammlung des Museums.
Freundschaft, Kuchen und die Nachahmung einer Meisterin
Im Museum Ludwig präsentiert Wang ihre Installation „Friendship“. Der Titel ist eine Anlehnung an ein berühmtes goldenes Bild der US-amerikanischen Malerin Agnes Martin (1912–2004), das im MoMA in New York hängt. Martin ist ein zentrales Vorbild für Wang, deren Einfluss in der Ausstellung deutlich wird.
Wang hat zwölf Werke um eine Installation aus kreisrunden Toren gruppiert. Der Hintergrund jedes Bildes zitiert die für Agnes Martin typischen rasterartigen Strukturen, die „Grids“. Wang betont jedoch, dass es sich um eine Imitation, nicht um eine Kopie handelt.
- Kopieren: Ein Akt der exakten Nachbildung.
- Imitieren: Ein performativer Prozess, der den ursprünglichen Gedanken weiterführt und Raum für Abweichungen und „Fehler“ lässt.
Auf diese strukturierten Hintergründe hat die Künstlerin traditionelle deutsche Kuchen gelegt, darunter Schwarzwälder Kirschtorte, Zitronen-Rolle und Herren-Schnitte. Diese Kombination aus abstrakter amerikanischer Malerei und deutscher Backtradition erzeugt eine Spannung, die zum Nachdenken über kulturelle Aneignung und Identität anregt.
Museumsdirektor Yilmaz Dziwior zeigte sich besonders amüsiert über die „Herren-Schnitte“ und die damit verbundene geschlechtliche Zuordnung einer Kuchenkreation. Die Werke laden den Betrachter ein, über die subtilen Codes und sozialen Beziehungen nachzudenken, die in alltäglichen Objekten und Traditionen verborgen sind.
Als Dank an die Gesellschaft für Moderne Kunst schuf Wang eine Edition mit einem besonderen Motiv: Eine Maus im Abendkleid, vor der ein Elefant in die Knie geht. Ein humorvolles Bild, das die komplexen Macht- und Beziehungsdynamiken in ihren Arbeiten widerspiegelt. Die Ausstellung „Friendship“ ist noch bis zum 18. Januar im Museum Ludwig zu sehen.




