Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) bereiten eine grundlegende Modernisierung ihres Ticketsystems vor. Geplant ist die vollständige Abschaffung der Fahrscheinautomaten in allen rund 400 Stadtbahnen und 300 Bussen. Stattdessen sollen Fahrgäste zukünftig kontaktlose Kartenleser für den Ticketkauf nutzen. Dies ist Teil einer umfassenden Digitalisierungsstrategie, die den Ticketkauf vereinfachen soll.
Das Wichtigste in Kürze
- Die KVB will alle Ticketautomaten in ihren Fahrzeugen durch Kartenlesegeräte ersetzen.
- Die Bezahlung erfolgt zukünftig kontaktlos per Kredit-/Debitkarte, Smartphone oder Smartwatch.
- Die Abrechnung soll nach einem Luftlinientarif erfolgen, der automatisch den günstigsten Tagespreis ermittelt.
- Das Projekt orientiert sich am Vorbild des „BONNsmart“-Systems der Stadtwerke Bonn, das seit 2020 im Einsatz ist.
- Eine wichtige Herausforderung bleibt die Integration von Nutzern, die weiterhin bar zahlen möchten.
Ein neues System für den Ticketkauf
Die KVB hat eine öffentliche Ausschreibung gestartet, um Unternehmen mit Erfahrung in der Implementierung solcher bargeldlosen Bezahlsysteme zu finden. Die Bewerbungsfrist für diese Markterkundung endet am 23. September. Nach Auswertung der Ergebnisse könnten bereits 2026 die ersten Vergabeverfahren für die technische Umsetzung beginnen.
Das neue System basiert auf einem Check-in/Check-out-Verfahren. Fahrgäste halten beim Ein-, Aus- oder Umsteigen ihre Bankkarte, ihr Smartphone oder ihre Smartwatch an ein Lesegerät. Die Software berechnet die Fahrtstrecke auf Basis der Luftlinie und ermittelt bei mehreren Fahrten am selben Tag automatisch den günstigsten Gesamtpreis für den Nutzer.
Was ist der Luftlinientarif?
Der Luftlinientarif, auch „Be-in/Be-out“- oder „Check-in/Check-out“-System genannt, berechnet den Fahrpreis nicht nach Tarifzonen, sondern nach der direkten Entfernung zwischen Start- und Zielhaltestelle. Dies vereinfacht die Preisgestaltung erheblich, da sich Fahrgäste keine Gedanken mehr über Tarifgrenzen machen müssen. Das System erfasst alle Fahrten eines Tages und rechnet am Ende den bestmöglichen Preis ab.
Herausforderungen und offene Fragen
Bevor die KVB eine endgültige Entscheidung trifft, müssen mehrere zentrale Fragen geklärt werden. Eine der größten Herausforderungen ist die Entwicklung einer Lösung für Fahrgäste, die weiterhin mit Bargeld bezahlen möchten oder keine digitalen Zahlungsmittel nutzen. Auch der Datenschutz und die Anonymität der Nutzer spielen eine wichtige Rolle in den Überlegungen.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Kompatibilität des Systems über die Stadtgrenzen von Köln hinaus. „Eine Insellösung für Köln macht keinen Sinn“, betonen die Verantwortlichen der KVB. Das Ziel ist ein nahtloses Reiseerlebnis im gesamten Verkehrsverbund, das auch Fahrten mit benachbarten Verkehrsunternehmen einschließt. Der spontane Ticketkauf direkt im Fahrzeug soll weiterhin für alle Fahrgäste gewährleistet sein.
Fahrzeugflotte der KVB
- Stadtbahnen: Rund 400 Fahrzeuge
- Busse: Etwa 300 Fahrzeuge
- Gesamtzahl: Die Umstellung betrifft somit circa 700 Fahrzeuge im Kölner Stadtgebiet.
Blick nach Bonn: Das Vorbild „BONNsmart“
In der Region gibt es bereits erfolgreiche Vorbilder für ein solches System. Die Stadtwerke Bonn (SWB) sind mit ihrem Projekt „BONNsmart“ deutschlandweit führend. Bereits im September 2020 wurden alle 230 Busse und 100 Bahnen in Bonn mit entsprechenden Kartenlesern ausgestattet.
Erfahrungen aus der Pilotphase
Das Bonner Projekt wurde vom Verkehrsministerium des Landes mit 500.000 Euro gefördert und kostete insgesamt 2,5 Millionen Euro. Anja Wenmakers, Geschäftsführerin der SWB Bus und Bahn, zog ein positives Fazit: „Das System hat sich absolut bewährt und ist bereit für die große Bühne. Wir stehen bereit, um unsere Erfahrungen mit anderen zu teilen.“
„Das volle Potenzial kann ein solches System erst dann entfalten, wenn die Fahrgäste es auch in Bussen und Bahnen benachbarter Verkehrsunternehmen nutzen können.“
Bisher endet die Nutzung von „BONNsmart“ jedoch an der Stadtgrenze. Fahrten mit den Linien 16 und 18, die Köln und Bonn verbinden, können noch nicht durchgängig über das System abgerechnet werden. Eine Kooperation mit der KVB könnte diese Lücke schließen.
Die Rolle des Deutschlandtickets und die Zukunft des Bargelds
Die Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 hat die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs stark verändert. Ob dies die Nachfrage nach Systemen wie „BONNsmart“ beeinflusst hat, ist unklar. Im Jahr 2022 verzeichnete das Bonner System noch über 130.000 Fahrten, was einer Steigerungsrate von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach. Es war besonders für Gelegenheitsfahrer attraktiv.
Die Stadtwerke Bonn gehen derweil einen Schritt weiter und schaffen die Möglichkeit zur Barzahlung bei Busfahrern komplett ab. Zur Entlastung des Fahrpersonals werden stattdessen kleine Automaten in den Bussen installiert, an denen Papiertickets ausschließlich mit Karte oder Smartphone gekauft werden können. Laut SWB besitzen 98 Prozent der Bevölkerung eine EC- oder Kreditkarte, was diesen Schritt rechtfertige.
Der Bonner Verkehrsexperte Rolf Beu (Grüne) sieht darin jedoch ein Indiz, dass „BONNsmart“ möglicherweise nicht so erfolgreich ist wie erhofft. Er verweist darauf, dass etwa 90 Prozent der Fahrgäste im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) ohnehin Abo-Kunden sind, die das Deutschlandticket oder das Digitalticket eezy.NRW nutzen. Die Umstellung der KVB wird daher genau beobachten, wie sich die Bedürfnisse aller Fahrgastgruppen am besten bedienen lassen.