In der Region Niederrhein beweisen zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, dass Engagement und Leidenschaft das lokale Leben nachhaltig prägen können. Von der Rettung eines Traditionslokals über internationale Hilfsprojekte bis hin zu innovativen Geschäftsideen – diese Geschichten zeigen, wie Einzelne und kleine Gruppen Großes bewirken und die Gemeinschaft stärken.
Das Wichtigste in Kürze
- In Moers soll eine Genossenschaft das historische Restaurant „Trotzburg“ vor dem Aus bewahren.
 - Ein Ehepaar aus Issum finanziert den Ausbau einer Schule in Tansania und verbessert die Bildungschancen für 600 Kinder.
 - Lokale Unternehmer setzen auf Nachhaltigkeit, wie eine Bio-zertifizierte Brauerei in Spellen und ein Golfclub, der Naturflächen anlegt.
 - Kreative Hobbys wie Häkeln werden zu erfolgreichen Geschäftsmodellen und fördern das Handwerk.
 
Gemeinschaft, die bewegt: Lokale Schätze und globale Hilfe
Wenn lokale Institutionen zu verschwinden drohen, ist oft die Zivilgesellschaft gefragt. Am Niederrhein zeigen zwei Beispiele eindrucksvoll, wie Bürgerinitiative den Unterschied machen kann – sowohl vor der eigenen Haustür als auch tausende Kilometer entfernt.
Ein Moerser kämpft für die „Trotzburg“
Die „Trotzburg“ in Moers ist mehr als nur ein Restaurant. Seit 1893 ist das Gebäude an der Rheinberger Straße eine feste Adresse und ein Ort mit langer Geschichte. Als das Lokal im Mai leer stand, schien eine Ära zu Ende zu gehen. Doch der 51-jährige Florian Bettges wollte dies nicht hinnehmen.
Als er hörte, dass der Eigentümer Gespräche mit einer Fahrschule oder einer Versicherung führte, empfand er dies als schmerzhaften Verlust für die Stadt. Seine Lösung: eine gemeinnützige Genossenschaft. Mit diesem Modell will er die Bürgerinnen und Bürger von Moers mobilisieren, um das Traditionslokal gemeinsam zu erhalten und wiederzubeleben.
„Moers hat nicht nur Historie, sondern kann auch Zukunft gestalten und Gastronomie erhalten“, so Bettges über seine Motivation.
Sein Plan sieht vor, dass viele Menschen Anteile an der Genossenschaft erwerben und so nicht nur zu Rettern, sondern auch zu Teilhabern der neuen „Trotzburg“ werden. Das Konzept überzeugte auch den Eigentümer Jürgen Dirksen.
Von Sevelen nach Tansania: Hilfe für eine Schule
Eine Urlaubsreise im Jahr 2019 veränderte das Leben von Karin und Berthold Grüntgens aus Issum-Sevelen nachhaltig. In Tansania lernten sie den Gästebetreuer Vincent Kinga kennen, der ein Waisenhaus leitet. Um den Kindern Bildung zu ermöglichen, hatte er eine leerstehende Schule angemietet. Die Bedingungen vor Ort waren jedoch katastrophal: Für 600 Kinder gab es nur sechs Toiletten.
Kreislauf der Armut durchbrechen
Für viele Kinder in ländlichen Regionen Tansanias ist der Zugang zu guter Bildung der einzige Weg aus der Armut. Initiativen wie die der Familie Grüntgens schaffen grundlegende Voraussetzungen wie sanitäre Anlagen und Lernmaterialien, die staatliche Schulen oft nicht bieten können.
„Mein Gedanke war: Wir müssen helfen! Uns geht es hier so gut und die Menschen dort kommen aus dem Kreislauf der Armut nicht heraus“, erklärt Karin Grüntgens. Das Paar kehrte seitdem dreimal zurück und hat aus der anfänglichen Reise eine Lebensaufgabe gemacht. Sie unterstützen die Schule finanziell, haben eine Patenschaft für ein Mädchen namens Joan übernommen und helfen dabei, die Infrastruktur vor Ort grundlegend zu verbessern.
Vom Hobby zum Beruf: Wenn Leidenschaft zum Erfolg führt
Immer mehr Menschen am Niederrhein verwandeln ihre persönlichen Leidenschaften in berufliche Existenzen. Ob es um die Beziehung zwischen Mensch und Tier, die Kunst des Bierbrauens oder die Wiederentdeckung des Handwerks geht – diese Gründergeschichten inspirieren.
Eine Trainerin für Hund und Seele
Patricia Hummen aus Wachtendonk spürte schon immer eine besondere Verbindung zu Hunden. Ein Bürojob in der Werbebranche fühlte sich für die 44-Jährige falsch an. Sie entschied sich für einen radikalen Wechsel, absolvierte Ausbildungen zur Tierheilpraktikerin und Hundetrainerin und darf heute sogar Assistenz- und Therapiehunde ausbilden.
Nach vielen Jahren mit einer eigenen Hundetagesstätte konzentriert sie sich nun auf Online-Coachings für Hundebesitzer. Ihr Ansatz geht über klassisches Training hinaus. „Es ist so ein spannendes Thema, was der Hund dem Menschen zeigt“, erklärt sie. In ihrer Arbeit geht es oft um die tiefere Verbindung und die Spiegelung menschlicher Emotionen im Verhalten des Tieres, was manchmal auch zu emotionalen Momenten bei den Besitzern führt.
Handarbeit 2.0: Häkeln wird wieder modern
Was früher als altmodisches Hobby galt, erlebt dank sozialer Medien eine Renaissance. Nici aus Ratingen hat diesen Trend früh erkannt. Ihre Häkelleidenschaft, die als winterliches Hobby begann, wurde schnell zu mehr. Eine Freundin ermutigte sie, ihre selbstgemachten Scrunchies (Haargummis) zu verkaufen. Der Erfolg auf Märkten und über Instagram ließ nicht lange auf sich warten.
Heute betreibt sie einen eigenen Online-Shop und gibt gefragte Häkelworkshops. „Viele denken beim Häkeln immer noch an Oma“, sagt Nici, doch Plattformen wie TikTok und Instagram zeigen ein junges, kreatives Bild des Handwerks. Für sie ist Häkeln ein Ausdruck von Kreativität und ein bewusster Gegenpol zur Massenware.
Bio-Bier aus Spellen
Das Brauprojekt 777 aus Spellen hat sich bereits mit preisgekrönten Bieren einen Namen gemacht. Nun gehen die Gründer, darunter Arne Hendschke und Joel Heling, den nächsten Schritt und haben ihre gesamte Brauerei bio-zertifizieren lassen. Der Anstoß kam von einem Hotel aus Schermbeck, das gezielt nach einem regionalen Bio-Bier suchte.
Aufwendige Zertifizierung
Um ein Bio-Siegel zu erhalten, muss jeder Schritt des Brauprozesses lückenlos dokumentiert werden. Von der Herkunft der Rohstoffe bis zur Reinigung der Anlagen unterliegt alles strengen Kontrollen. Dieser Aufwand sichert die hohe Qualität und Nachhaltigkeit des Endprodukts.
„Das hatten wir schon länger vor, aber uns fehlte dafür ein passendes Produkt“, berichtet Hendschke. Die Anfrage war die perfekte Gelegenheit. Die Zertifizierung erforderte viel Dokumentationsarbeit, doch der Aufwand hat sich gelohnt. Nun kann die Brauerei Genuss und Umweltschutz noch stärker verbinden und plant bereits weitere Produkte in Bio-Qualität.
Grünes Engagement und ein besonderer Herzenswunsch
Auch im Kleinen entstehen bemerkenswerte Geschichten. Ein Golfclub beweist, dass Sport und Naturschutz Hand in Hand gehen können, während für eine 98-jährige Dame ein lang gehegter Traum in Erfüllung geht.
Mehr als nur Rasen: Golfclub fördert Artenvielfalt
Ein perfekt gemähter Golfrasen wird selten mit Artenvielfalt in Verbindung gebracht. Die Golfanlage an den Nieper Kuhlen in Neukirchen-Vluyn beweist seit ihrer Gründung 1995 das Gegenteil. Nur etwa 70 der insgesamt 123 Hektar Fläche werden aktiv bespielt. Der Rest sind Ausgleichsflächen wie Obst- und Blumenwiesen, die eine Voraussetzung für die damalige Baugenehmigung waren.
In Zusammenarbeit mit der Biologischen Station im Kreis Wesel und Krefeld geht der Club nun noch einen Schritt weiter. Kürzlich fand eine große Pflanzaktion statt, bei der rund 220 Wiesenknöpfe gesetzt wurden. Ziel ist die Schaffung einer neuen, artenreichen Blumenwiese, die Insekten und anderen Tieren einen neuen Lebensraum bietet.
Mit 98 im Feuerwehrauto
Einen ganz besonderen Tag erlebte Christa Buyken aus Kamp-Lintfort. Im hohen Alter von 98 Jahren ging für sie ein Wunsch in Erfüllung: eine Fahrt in einem echten Feuerwehrauto, inklusive Blaulicht und Martinshorn. Möglich machte dies eine Aktion der Freiwilligen Feuerwehr Hoerstgen.
Der Löschzug hatte wochenlang eine Figur im Dorf versteckt, die eine Frage zur Feuerwehr hielt. Christa Buyken gehörte zu den glücklichen Gewinnern des Gewinnspiels und durfte sich über eine unvergessliche Spritztour freuen, die ihr ein großes Lächeln ins Gesicht zauberte.




