Im Rheinischen Revier beginnt nach dem Ende des Braunkohleabbaus eine der größten Landschaftsumgestaltungen Europas. Der Tagebau Hambach, eine riesige Grube nahe Köln, wird ab 2030 mit Wasser aus dem Rhein geflutet. Über einen Zeitraum von 40 Jahren soll hier einer der tiefsten und größten Seen Deutschlands entstehen.
Die wichtigsten Fakten
- Beginn der Flutung: Das Projekt startet im Jahr 2030.
 - Dauer: Die Befüllung des Tagebaus wird voraussichtlich 40 Jahre in Anspruch nehmen.
 - Dimensionen: Der See wird eine Fläche von 36 Quadratkilometern erreichen und an seiner tiefsten Stelle 411 Meter tief sein.
 - Wasserquelle: Das Wasser wird über eine Pipeline aus dem Rhein bei Dormagen entnommen.
 - Finanzierung: RWE hat für die Rekultivierung der Tagebaue Rückstellungen in Höhe von sechs Milliarden Euro gebildet.
 
Ein Landschaftswandel historischen Ausmaßes
Wo jahrzehntelang riesige Bagger Braunkohle förderten und eine tiefe Wunde in der Landschaft hinterließen, steht eine gigantische Verwandlung bevor. Der Tagebau Hambach wird zum Mittelpunkt eines ambitionierten Rekultivierungsprojekts. Mit seiner geplanten Tiefe von 411 Metern wird der „Hambacher See“ nicht nur ein beeindruckendes Gewässer, sondern auch ein Symbol für den Strukturwandel im Rheinischen Revier.
Die Transformation betrifft eine gesamte Region mit rund 2,5 Millionen Einwohnern, die sich von Düren über den Rhein-Erft-Kreis bis nach Mönchengladbach erstreckt. Neben Hambach werden auch die Tagebaue Garzweiler und Inden in Seenlandschaften umgewandelt. Während der kleinere Tagebau Inden mit Wasser aus der Rur gefüllt wird, sind für die riesigen Gruben Hambach und Garzweiler der Rhein als Lebensader vorgesehen.
Zahlen und Dimensionen
- Fläche: 36 Quadratkilometer (3.600 Hektar)
 - Maximale Tiefe: 411 Meter
 - Geplante Fülldauer: ca. 40 Jahre (bis etwa 2070)
 - Wasserherkunft: Rhein
 
Die technische Herausforderung der Flutung
Um die gewaltige Grube zu füllen, ist eine massive technische Infrastruktur erforderlich. Das Wasser soll aus dem Rhein bei Dormagen entnommen und durch eine speziell gebaute Pipeline in den Tagebau geleitet werden. Boris Linden, der Geschäftsführer der zuständigen Entwicklungsgesellschaft Neuland Hambach GmbH, erläuterte die Details des Vorhabens.
„Pro Sekunde werden 14 Kubikmeter Rheinwasser den Tagebau fluten.“
Diese enorme Wassermenge wird durch Rohrleitungen mit einem Durchmesser von 2,20 Metern transportiert. Das Wasser soll über Kaskaden an der sogenannten „Porta Sophia“ in den zukünftigen See fließen, was auch als gestalterisches Element dient. Die Planung sieht vor, dass die ersten Bereiche des Sees bereits deutlich vor dem Ende der gesamten Füllung nutzbar werden.
Sorgen wegen des Klimawandels
Eine zentrale Frage ist die Verfügbarkeit von Rheinwasser, insbesondere in trockenen Sommern und angesichts des fortschreitenden Klimawandels. Experten haben diese Szenarien untersucht. Laut Linden sei das Ergebnis, dass sich die Befüllung selbst bei extremen Dürreperioden „nur um wenige Jahre verlängern“ würde. Die Wasserentnahme aus dem Rhein sei so geregelt, dass sie vom jeweiligen Pegelstand abhängt. Selbst bei Niedrigwasser werde dem Fluss weniger als ein Prozent seiner Wassermenge entnommen.
Wer trägt die Kosten?
Die Verantwortung für die Rekultivierung der Tagebauflächen liegt beim Energiekonzern RWE. Laut Gero Vinzelberg, Planungschef bei RWE Power, hat das Unternehmen Rückstellungen in Höhe von sechs Milliarden Euro für diese Aufgabe gebildet. Er betonte, dass die Verpflichtung zur Wiederherstellung der Landschaft so lange andauert, „bis das erledigt ist“.
Die Wiederherstellung des Grundwassers
Ein entscheidender Aspekt des Projekts ist die Stabilisierung des regionalen Wasserhaushalts. Für den Braunkohleabbau wurde der Grundwasserspiegel seit den 1950er-Jahren künstlich um bis zu 400 Meter abgesenkt. Dieser Prozess wird nun umgekehrt.
Stefan Simon, ein Grundwasserexperte vom Erftverband, erklärte, dass der Grundwasserspiegel mit Beginn der Seefüllung „sehr schnell und deutlich wieder ansteigen“ wird. Der riesige Wasserkörper des Sees wird Druck auf das umliegende Erdreich ausüben und so zur Anhebung des Grundwassers beitragen. Das langfristige Ziel ist es, dass der Grundwasserspiegel um das Jahr 2100 wieder sein ursprüngliches Niveau erreicht.
Schutz für empfindliche Naturgebiete
Um empfindliche Feuchtgebiete wie den Naturpark Schwalm-Nette vor dem Austrocknen zu bewahren, wurden sie bereits seit den 1990er-Jahren künstlich mit Wasser aus dem Tagebau versorgt. Nach dem Ende der Kohleförderung wird diese Aufgabe durch Rheinwasser übernommen, um die Ökosysteme stabil zu halten.
Dietmar Jansen vom Erftverband unterstrich das Leitprinzip des gesamten Vorhabens: „Seit den 1990er Jahren gilt der Grundsatz, dass die gesamte Region nicht schlechter gestellt wird, als hätte es den Tagebau nie gegeben.“ Man achte sehr genau darauf, dass die Interessen der Region gewahrt bleiben.
Ein Blick in die Zukunft
Die Verantwortlichen blicken optimistisch in die Zukunft. Obwohl die vollständige Flutung Jahrzehnte dauern wird, sollen erste Teile des Sees bereits frühzeitig für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Wir gehen davon aus, dass wir 2040, also zehn Jahre nach dem Beginn der Befüllung, einen Teil des Sees schon nutzen können“, so Boris Linden. Es sind bereits drei öffentliche Zugänge zum neuen See in Planung.
Der Tagebau Hambach wird sich von einer industriellen Mondlandschaft in ein Naherholungsgebiet verwandeln. Ein einzelner, stehengelassener Tagebaubagger soll als Denkmal an die Ära der Braunkohle erinnern und die gewaltige Transformation für zukünftige Generationen sichtbar machen.




