In Reaktion auf zunehmende Gewalt an Schulen startet in Nordrhein-Westfalen ein neues Präventionsprojekt. Zwei Schulen in Köln sind Teil der einjährigen Pilotphase, bei der uniformierte Polizisten regelmäßig auf dem Schulhof präsent sein werden. Ziel ist es, das Vertrauen zwischen Schülern und der Polizei zu stärken und Gewalttaten, insbesondere mit Messern, vorzubeugen.
Wichtige Punkte
- Ein neues Projekt namens "miteinander.stark.sicher" wird in NRW gestartet, um Schulgewalt zu bekämpfen.
- Die Initiative ist eine Kooperation des Schul- und des Innenministeriums.
- Zwei Kölner Schulen, das Genoveva-Gymnasium und die Henry-Ford-Realschule, nehmen am Pilotprojekt teil.
- Das Konzept umfasst Polizeipräsenz auf Schulhöfen, Deeskalationstrainings für Lehrer und Präventionsunterricht in Klassen.
- Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Aufklärung über Messergewalt.
Hintergrund: Gewalt an Schulen in NRW nimmt zu
Die Gewalt an Schulen in Nordrhein-Westfalen ist ein anhaltendes Problem. Statistiken zeigen einen besorgniserregenden Trend, der sowohl Schüler als auch Lehrkräfte betrifft. Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen sind Teil des Alltags an vielen Bildungseinrichtungen geworden.
Besonders Lehrkräfte stehen immer häufiger im Fokus von Aggressionen. Eine Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) von Anfang des Jahres verdeutlicht das Ausmaß des Problems.
Alarmierende Zahlen für NRW
Laut VBE gaben 73 Prozent der Schulleitungen in NRW an, dass es in den letzten fünf Jahren Fälle von Beschimpfungen, Drohungen oder Mobbing gegen Lehrkräfte gab. Körperliche Angriffe wurden von 43 Prozent der Schulleitungen gemeldet, während der Bundesdurchschnitt bei 35 Prozent liegt.
Auch die Gewalt unter Schülern hat zugenommen. Mobbing beginnt oft schon in der Grundschule, während körperliche Auseinandersetzungen in höheren Klassenstufen brutaler werden. Diese Entwicklung hat das NRW-Schulministerium und das Innenministerium zum Handeln veranlasst.
Das neue Konzept "miteinander.stark.sicher"
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben Schulministerin Dorothee Feller (CDU) und Innenminister Herbert Reul (CDU) das Projekt "miteinander.stark.sicher – gemeinsam für eine gewaltfreie Schule" ins Leben gerufen. Das Programm basiert auf drei zentralen Säulen, die eng miteinander verknüpft sind.
Säule 1: Polizeipräsenz auf dem Schulhof
Ein Kernstück des Konzepts sind die sogenannten "Schulhofgespräche". Uniformierte Polizeibeamtinnen und -beamten werden regelmäßig auf den Schulhöfen der teilnehmenden Schulen anwesend sein. Sie sollen als direkte Ansprechpartner für die Schülerinnen und Schüler fungieren.
"Die Schulhofgespräche sind eine Einladung an die Schülerinnen und Schüler zu einem offenen Austausch. Die Polizei zeigt: Wir sind da, wir sind ansprechbar, wir hören zu. Die Gespräche schaffen Vertrauen und das ist genau das, was wir wollen", erklärte Innenminister Herbert Reul.
Durch diese niedrigschwellige Kontaktaufnahme soll die Hemmschwelle zur Polizei abgebaut und ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut werden. Die Präsenz soll zudem präventiv wirken und das Sicherheitsgefühl an den Schulen erhöhen.
Säule 2: Unterstützung für das Schulpersonal
Die zweite Säule konzentriert sich auf die Stärkung der Lehrkräfte und des weiteren Schulpersonals. Geplant sind spezielle Deeskalationstrainings, in denen die Teilnehmenden lernen, Konfliktsituationen frühzeitig zu erkennen und wirksam zu entschärfen. Die Schulungen umfassen Themen wie den Umgang mit Krisenfällen, die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und die Bewertung problematischer Inhalte in sozialen Medien.
Säule 3: Prävention im Klassenzimmer
Die dritte Säule sieht vor, dass Polizisten direkt in den Unterricht einbezogen werden. Sowohl uniformierte Beamte als auch zivile Kriminalbeamte werden gemeinsam mit einer Lehrkraft Unterrichtseinheiten gestalten. Zielgruppe sind vor allem Schülerinnen und Schüler der siebten Jahrgangsstufe.
In diesen Stunden soll ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander trainiert werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Prävention von Messergewalt, da die Zahl solcher Taten unter Jugendlichen zugenommen hat.
Aktueller Anlass: Messerangriff in Essen
Die Dringlichkeit des Themas wurde Anfang September durch einen Vorfall an einem Berufskolleg in Essen unterstrichen. Dort wurde eine Lehrerin von einem 17-jährigen Schüler mit einem Messer attackiert und schwer verletzt. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen, da ein islamistischer Hintergrund vermutet wird.
Pilotprojekt startet an 20 Schulen in NRW
Das Projekt startet Ende des Jahres in einer einjährigen Pilotphase. Daran beteiligt sind zehn Kreispolizeibehörden, die das Konzept an insgesamt 20 Schulen umsetzen werden. Neben Köln sind unter anderem die Städte Bielefeld, Bochum, Düsseldorf und Duisburg beteiligt.
Zwei Kölner Schulen sind dabei
In Köln wurden zwei weiterführende Schulen für die Teilnahme ausgewählt:
- Genoveva-Gymnasium in Köln-Mülheim
- Henry-Ford-Realschule in Köln-Chorweiler
Auch im benachbarten Rhein-Erft-Kreis nehmen zwei Schulen teil: die Gemeinschaftshauptschule am Mühlengraben in Kerpen und die Wilhelm-Busch-Hauptschule in Wesseling.
Wie wurden die Schulen ausgewählt?
Die Auswahl der 20 Pilotschulen erfolgte nach zwei Hauptkriterien. Zum einen wurde der Sozialindex der Schule berücksichtigt. Dieser Index bewertet Faktoren wie Armut im Schulumfeld, den Anteil von Schülern mit nicht-deutscher Familiensprache und den Anteil von Kindern mit Förderbedarf.
Zum anderen wurden Schulen bevorzugt, die bereits Erfahrungen mit Anti-Mobbing-Programmen oder anderen Präventionsmaßnahmen gesammelt haben. Interessanterweise gehörten die beiden ausgewählten Kölner Schulen nicht zu den Einrichtungen mit der höchsten Belastungsstufe (6 bis 9) des Kölner Sozialindex.
Politische Erwartungen an das Projekt
Schulministerin Dorothee Feller bezeichnete die enge Zusammenarbeit ihres Ministeriums mit dem Innenministerium als "gänzlich neu". Sie betonte, dass die Anwesenheit der Polizei eine "vertrauensbildende" Wirkung haben und dem Klima an den Schulen "zuträglich" sein solle.
Innenminister Reul sieht in dem Projekt einen wichtigen Schritt, um eine "nötige Wende in der Kinder- und Jugendkriminalität" einzuleiten. Die Initiative soll langfristig dazu beitragen, Gewalt an Schulen zu reduzieren und das Miteinander sicherer und respektvoller zu gestalten.




