Eine unkonventionelle Spendenaktion in der Kölner Innenstadt hat in den sozialen Medien für großes Aufsehen gesorgt. Drei Künstlerinnen boten unter dem Motto „Such dir eine aus! Pro Einblick 1 Euro“ scheinbar intime Einblicke an. Die überraschende Auflösung der Aktion enthüllte jedoch ein cleveres soziales Experiment, das die Spendenbereitschaft der Menschen auf die Probe stellte.
Wichtige Erkenntnisse
- Drei Künstlerinnen führten in Köln eine Spendenaktion durch, die als provokantes Angebot getarnt war.
- Passanten zahlten einen Euro für einen Blick in eine Kiste, die die Frauen vor ihrem Oberkörper hielten.
- Statt des erwarteten Anblicks fanden die Teilnehmer Dankesbotschaften von Hilfsorganisationen.
- Die Aktion war eine Reaktion auf einen erfolglosen Versuch, am Vortag direkt um Spenden für Gaza zu bitten.
- Das dazugehörige Video erreichte auf TikTok und Instagram über 350.000 Menschen und löste eine Debatte aus.
Die Aktion: Ein Angebot, das Neugier weckte
In der belebten Kölner Innenstadt, unter anderem am Dom und am Rheinufer, sorgte eine Szene für Irritation und Neugier. Drei Frauen standen nebeneinander und hielten silberne Kisten mit Gucklöchern vor ihre scheinbar nackten Oberkörper. Ein Schild aus Pappe mit der Aufschrift „Such dir eine aus! Pro Einblick 1 Euro“ lud Passanten ein, gegen eine kleine Gebühr einen Blick zu wagen.
Die Inszenierung war bewusst provokant gewählt und zog schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Wie in einem viralen Video dokumentiert wurde, näherten sich zahlreiche Menschen, überwiegend Männer, um an der Aktion teilzunehmen. Die Organisatoren beschrieben die Szenerie mit den Worten: „Manche kommen in Gruppen, manche pirschen sich heran wie scheue Füchse.“
Doch nicht nur Männer zeigten Interesse. Auch Frauen wurden neugierig und wollten herausfinden, was sich wirklich in den mysteriösen Kisten verbarg. Die Spendenbox füllte sich zusehends, angetrieben von der Neugier und der zweideutigen Aufmachung des Angebots.
Die überraschende Auflösung
Wer einen Euro bezahlte und durch das Guckloch blickte, erlebte eine Überraschung. Statt des möglicherweise erwarteten Anblicks nackter Haut sahen die Teilnehmer eine Botschaft. In den Kisten befanden sich kurze Dankesnachrichten von drei bekannten internationalen Hilfsorganisationen: Unicef, Save The Children und Ärzte ohne Grenzen.
Die Aktion entpuppte sich als ein clever konzipierter Spendenaufruf. Jeder eingeworfene Euro war eine direkte Spende, was den Teilnehmern erst im Moment des „Einblicks“ bewusst wurde. Die Reaktionen der Beteiligten reichten von Verlegenheit über Belustigung bis hin zu anerkennendem Beifall für die kreative Idee.
Aktion im Detail
Die Performance fand am 20. September statt, parallel zur Demonstration „Marsch für das Leben“ und den dazugehörigen Gegendemonstrationen. Dieser Kontext verlieh der Aktion eine zusätzliche Ebene, da sie sich inmitten verschiedener gesellschaftlicher und weltanschaulicher Gruppen positionierte.
Ein soziales Experiment mit ernstem Hintergrund
Die wahre Dimension der Aktion wurde durch einen Vergleich mit einem Ereignis vom Vortag deutlich. Die Initiatoren hatten versucht, mit einem direkten und transparenten Aufruf Spenden zu sammeln. Mit einem Schild mit der Aufschrift „Spenden für Gaza“ baten sie an denselben Orten um Unterstützung.
Das Ergebnis war ernüchternd. Die Spendenbereitschaft war minimal. Die meisten Passanten reagierten ablehnend mit Sätzen wie „Nein, danke“ oder gaben an, kein Kleingeld bei sich zu haben. Dieser gescheiterte Versuch war der direkte Auslöser für die provokante Aktion am Folgetag.
Die zentrale Frage der Aktion
Die Gegenüberstellung beider Methoden legte eine unbequeme Frage offen: Warum sind Menschen eher bereit, einen Euro für einen vermeintlich voyeuristischen Nervenkitzel auszugeben als für einen klar kommunizierten humanitären Zweck? Das Experiment zeigte, dass nicht der fehlende Euro das Problem war, sondern oft die Motivation oder der Anreiz, zu helfen.
Die Organisatoren formulierten die Erkenntnis in ihrem Video prägnant:
„Helfen ist nicht sexy, aber eine mysteriöse Box vor der Brust schon. Such dir eine aus – eine Hilfsorganisation.“
Die Köpfe hinter der Kampagne
Initiatorin der gesamten Aktion ist die Kölner Comedy-Autorin, Regisseurin und Fotografin Sylvia Borges. Sie organisierte die Performance und die dazugehörige Videodokumentation in Eigenregie. Unterstützt wurde sie von den drei Künstlerinnen Michelle Paninka, Lynn Joanna Hasselmann und Larissa Strauch, die mutig im Zentrum der Aktion standen.
Gegenüber der Presse erklärte Borges den Erfolg der Kampagne: „Wir haben nicht nur Geld gesammelt, sondern mithilfe des dazugehörigen Online-Films auch bereits 350.000 Menschen über TikTok und Instagram erreicht.“ Viele Nutzer hätten ihr geschrieben, dass die Aktion sie daran erinnert habe, wieder zu spenden.
Konfrontation mit Vorurteilen
Borges berichtete auch von den Herausforderungen während der Durchführung. Die provokante Aufmachung führte zu unterschiedlichen, oft abwertenden Reaktionen von Passanten. „Obwohl wir wussten, was sich in den Kisten verbirgt, war es manchmal beschämend, ihre verachtenden Blicke zu spüren“, so Borges. Diese Blicke kamen demnach aus verschiedenen gesellschaftlichen Lagern, darunter religiöse Gruppen und auch Feministinnen.
Die Aktion funktionierte somit auf mehreren Ebenen: als erfolgreiche Spendenkampagne, als virales Phänomen in den sozialen Medien und als sozialer Kommentar, der tief verwurzelte gesellschaftliche Reaktionsmuster sichtbar machte. Ein Kommentar unter dem Instagram-Video fasste die Wirkung treffend zusammen: „Das ist genial und traurig zugleich.“




