In Köln-Bickendorf steht der Verein „Bürger für Obdachlose“ (BfO) nach drei Jahrzehnten sozialer Arbeit vor einer ungewissen Zukunft. Der ehemalige Vorstand hat die Auflösung der Organisation beantragt, die ein bekanntes Gebrauchtwaren-Kaufhaus betreibt und wichtige Hilfsprojekte finanziert. Mitarbeiter und Unterstützer kämpfen nun entschlossen um den Erhalt der wichtigen sozialen Einrichtung.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Verein „Bürger für Obdachlose“ (BfO) in Köln-Bickendorf soll nach 30 Jahren aufgelöst werden.
- Der ehemalige Vorstand, der im März zurücktrat, hat die Auflösung beim Amtsgericht beantragt.
- Die Arbeitsplätze von Mitarbeitern und die Fortführung sozialer Projekte wie einer Suppenküche sind gefährdet.
- Eine Online-Petition und Unterschriftenlisten haben bereits fast 2.000 Unterstützer für den Erhalt mobilisiert.
Ein soziales Zentrum in Bickendorf
Seit 30 Jahren ist der Verein „Bürger für Obdachlose“ eine feste Größe im Kölner Sozialgefüge. Herzstück der Organisation ist das Gebrauchtwaren-Kaufhaus „Basislager“ in der Silcherstraße, das seit 26 Jahren besteht. Hier werden gespendete Möbel, Kleidung, Bücher und Haushaltswaren zu erschwinglichen Preisen verkauft.
Die Einnahmen aus dem Verkauf fließen direkt in Hilfsprojekte für wohnungslose Menschen. Unter anderem unterstützt der Verein in Kooperation mit der Emmaus Gemeinschaft eine Suppenküche am Appellhofplatz. Damit leistet der BfO einen direkten Beitrag zur Versorgung bedürftiger Menschen in der Kölner Innenstadt.
Mehr als nur ein Kaufhaus
Das „Basislager“ ist nicht nur eine Verkaufsstelle, sondern auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt im Stadtteil Bickendorf. Das integrierte „Yassi’s Café Bar“, betrieben von Yasemin Alpaslan, dient vielen Anwohnern und Besuchern als Ort der Begegnung und des Austauschs. Für einige ist es laut den Mitarbeitern eine Art Familienersatz geworden.
Eine Chance auf dem zweiten Arbeitsmarkt
Eine besondere Rolle spielt der Verein als Arbeitgeber. Im „Basislager“ finden vor allem Menschen eine Anstellung, die auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten. Dazu gehören Personen nach einer Suchttherapie, Menschen mit psychischen Problemen oder ältere Arbeitssuchende über 50.
„Die Arbeit gibt den Beschäftigten die Chance auf ein geregeltes Leben und das Gefühl, gebraucht zu werden“, erklärt Nathalie Thönnissen, die Leiterin des Kaufhauses. Die Beschäftigungsmodelle reichen vom Praktikum über Minijobs bis hin zu Teilzeitstellen. Für viele ist es ein entscheidender Schritt zurück in die gesellschaftliche Teilhabe und manchmal sogar der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt.
Plötzliche Auflösung ohne klare Gründe
Die Krise begann im März dieses Jahres, als der gesamte sechsköpfige Vorstand des Vereins zurücktrat. Damals wurden berufliche Belastungen und das Alter einiger Mitglieder als Gründe genannt. Seitdem konnte kein neuer Vorstand gefunden werden, was die Handlungsfähigkeit des Vereins bereits stark einschränkte.
Vor wenigen Tagen folgte dann die schockierende Nachricht für die Belegschaft. „Wir haben über eine Anfrage beim Amtsgericht erfahren, dass der alte Vorstand die Auflösung des Vereins in die Wege geleitet hat“, berichtet Thönnissen. „Wir fühlen uns hintergangen.“ Über die genauen Motive für diesen Schritt schweigt der ehemalige Vorstand bisher.
Finanziell stabil
Nach Angaben der Kaufhausleiterin Nathalie Thönnissen ist die finanzielle Lage des Vereins nicht der Grund für die drohende Schließung. „Finanzielle Gründe spielen wohl keine Rolle, wir kommen mit den Umsätzen gut zurecht“, stellt sie klar. Dies macht die Entscheidung des alten Vorstands für die Mitarbeiter noch unverständlicher.
Rechtliche Hürden erschweren die Rettung
Um den Verein handlungsfähig zu halten, hatten die Mitarbeiter bereits im August die Einsetzung eines Notvorstands beim Amtsgericht beantragt. Ein solcher Schritt wäre notwendig, um beispielsweise neue Mitarbeiter einzustellen oder den Mietvertrag für die Räumlichkeiten zu verlängern. Durch den nun gestellten Auflösungsantrag sind die Erfolgsaussichten für die Bestellung eines Notvorstands jedoch gering.
Die Auflösung ist rechtlich noch nicht abgeschlossen, da noch kein Liquidator benannt wurde. Dieser wäre dafür verantwortlich, die laufenden Geschäfte zu beenden und eventuelle Vermögenswerte abzuwickeln. Doch die Unsicherheit wächst von Tag zu Tag.
Mitarbeiter und Unterstützer kämpfen weiter
Trotz der schwierigen Lage geben die Mitarbeiter und ihre Unterstützer nicht auf. „Aber wir kämpfen weiter“, sagt Nathalie Thönnissen entschlossen. Der Zusammenhalt im Team und die Unterstützung aus der Bevölkerung geben ihnen Kraft.
Eine gestartete Online-Petition zum Erhalt des Vereins und des „Basislagers“ hat bereits mehr als 800 Unterzeichner gefunden. Zusätzlich wurden vor Ort in nur drei Wochen rund 1.000 Unterschriften gesammelt. Diese Zahlen zeigen die tiefe Verwurzelung der Einrichtung im Stadtteil und die große Wertschätzung für ihre Arbeit.
Personelle Engpässe und wachsende Sorgen
Die unsichere Situation hat bereits jetzt konkrete Folgen. Da keine neuen Verträge abgeschlossen werden können, ist die Mitarbeiterzahl von normalerweise 15 auf nur noch sieben gesunken. „Jeder muss für zwei arbeiten“, beschreibt der ehrenamtliche Helfer Gürhan Tahmaz die angespannte Personallage.
„Er ist immer sehr entgegenkommend, der soziale Zweck des Vereins ist ihm ein Anliegen. Aber er möchte natürlich auch Sicherheit haben.“
Auch die Sorge um die Zukunft des Standorts wächst. Der Mietvertrag für das „Basislager“ läuft noch bis Juni 2026. Café-Betreiberin Yasemin Alpaslan befürchtet jedoch, dass der Vermieter angesichts der unklaren Lage nervös werden könnte. Sie beobachtete bereits Gespräche zwischen ihm und potenziellen Nachmietern.
Politik schaltet sich ein
Inzwischen hat die Notlage des Vereins auch die lokale Politik erreicht. Hakan Memis, SPD-Politiker und ehemaliger Ratskandidat, äußerte sich kritisch über das Vorgehen des alten Vorstands.
„Es ist inakzeptabel, wie der ehemalige Vorstand seine Machtposition ausgenutzt und die Belegschaft im Unklaren gelassen hat“, so Memis. Er betonte die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes und kündigte konkrete Hilfe an. Memis will nun den Kontakt zu einem Rechtsanwalt herstellen, der den Verein und seine Mitarbeiter unentgeltlich beraten soll, um doch noch eine Lösung für den Fortbestand zu finden.




