Einen Tag nach den entscheidenden Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen analysieren die großen Parteien die neuen Machtverhältnisse in den Rathäusern. Die Ergebnisse brachten für CDU, SPD und Grüne sowohl wichtige Siege als auch schmerzhafte Niederlagen und zeichnen ein komplexes Bild der politischen Stimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
- Die SPD verliert nach fast 80 Jahren das Oberbürgermeisteramt in Dortmund an die CDU, gewinnt aber nach einem Jahrzehnt die Millionenstadt Köln zurück.
- Die CDU verteidigt Düsseldorf und Essen und erobert die Rathäuser in Bonn und Aachen von den Grünen.
- Die Grünen verlieren zwei wichtige Oberbürgermeisterposten, können aber erstmals das Rathaus in Münster für sich gewinnen.
- Die AfD konnte sich in keiner der drei Stichwahlen mit eigener Beteiligung durchsetzen.
Parteizentralen bewerten die Wahlergebnisse
Am Tag nach der Wahl kamen die Führungsgremien der Parteien zusammen, um die Resultate zu bewerten und strategische Schlussfolgerungen zu ziehen. In Düsseldorf trat der CDU-Landesvorstand zusammen, an der Sitzung nahm auch Bundeskanzler Friedrich Merz teil. Gemeinsam mit Ministerpräsident Hendrik Wüst präsentierte er die Haltung der Partei.
Die SPD-Spitze in NRW traf sich zu einer digitalen Sitzung, um eine erste Analyse vorzunehmen. Ein Parteisprecher bezeichnete dies als den Beginn einer umfassenden Aufarbeitung der Wahlergebnisse, die sowohl Grund zur Freude als auch Anlass zur kritischen Reflexion böten.
Ein Wechselbad der Gefühle für die SPD
Für die Sozialdemokraten war der Wahlabend von starken Kontrasten geprägt. Die wohl größte Überraschung war der Verlust des Oberbürgermeisterpostens in Dortmund. In der Stadt, die oft als „Herzkammer“ der SPD bezeichnet wird und seit rund 80 Jahren durchgehend sozialdemokratisch regiert wurde, unterlag Amtsinhaber Thomas Westphal seinem CDU-Herausforderer Alexander Omar Kalouti.
Gleichzeitig feierte die Partei einen historischen Erfolg in der größten Stadt des Landes. Mit Torsten Burmester stellt die SPD nach zehn Jahren wieder den Oberbürgermeister in Köln. Dieser Sieg hat eine hohe symbolische Bedeutung für die Partei.
Rückeroberungen im Ruhrgebiet
Neben dem Erfolg in Köln konnte die SPD auch in anderen wichtigen Städten des Ruhrgebiets punkten. Es gelang ihr, die Rathäuser in Oberhausen und Mülheim an der Ruhr von der CDU zurückzugewinnen. Zudem verteidigten die SPD-Kandidaten erfolgreich die Spitzenposten in Bochum und Wuppertal.
Reaktionen aus der SPD-Bundesspitze
SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil zeigte sich trotz des Verlusts von Dortmund erleichtert. Er betonte vor allem, dass die AfD keinen einzigen Sieg erringen konnte.
„Die AfD konnte sich in keiner einzigen Stichwahl durchsetzen“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Er hob hervor, dass die SPD mit insgesamt 13 Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern weiterhin die meisten Stadtoberhäupter in NRW stelle. „Das zeigt, wo wir vor Ort stark verankert sind, können wir mit unserer Politik erfolgreich sein“, so Klingbeil.
Die Co-Vorsitzende Bärbel Bas äußerte sich mahnender. Sie betonte, die SPD müsse die Sorgen der Menschen ernster nehmen und sich auf die Verbesserung des Alltags konzentrieren. „Darauf muss der gesamte Fokus unserer Arbeit liegen. Das gilt für NRW genauso wie für das ganze Land“, sagte Bas gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
CDU sieht sich als klarer Wahlsieger
Die CDU zeigte sich nach den Stichwahlen selbstbewusst und gestärkt. In der Landeshauptstadt Düsseldorf wurde Amtsinhaber Stephan Keller für eine zweite Amtszeit bestätigt. Auch in Essen bleibt Thomas Kufen (CDU) für eine dritte Amtszeit Oberbürgermeister.
Besonders bedeutsam für die Christdemokraten waren die Gewinne in Bonn und Aachen, wo sie die bisherigen grünen Oberbürgermeisterinnen ablösten. Weitere Erfolge verbuchte die Partei in Bielefeld und Leverkusen, wo die CDU-Kandidaten die zuvor von der SPD gehaltenen Ämter übernahmen.
Stärkste Kraft im ersten Wahlgang
Bereits im ersten Wahlgang der Kommunalwahlen am 14. September hatte sich die CDU als stärkste politische Kraft in NRW erwiesen. Trotz leichter Verluste erreichten die Christdemokraten landesweit 33,3 Prozent der Stimmen.
Ministerpräsident Hendrik Wüst interpretierte die Ergebnisse als klares Signal der Wähler. Er sprach von einem „Votum für eine pragmatische, lösungsorientierte, christdemokratische Politik der Mitte“. Die Menschen hätten honoriert, dass die CDU auf allen politischen Ebenen in den letzten fünf Jahren gute Arbeit geleistet habe.
Kein Erfolg für die AfD in den Stichwahlen
Die Befürchtung, die AfD könnte erstmals ein Oberbürgermeisteramt in einer westdeutschen Großstadt erringen, bewahrheitete sich nicht. Obwohl die Partei ihr Ergebnis bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen auf 14,5 Prozent fast verdreifachen konnte, scheiterten alle drei Kandidaten in den Stichwahlen.
- In Duisburg setzte sich der langjährige SPD-Amtsinhaber Sören Link klar durch.
- In Hagen gewann der CDU-Kandidat Dennis Rehbein die Stichwahl.
- In Gelsenkirchen siegte die SPD-Politikerin Andrea Henze und wird damit neue Oberbürgermeisterin.
Der Sieg von Henze in der vom Strukturwandel stark betroffenen Stadt Gelsenkirchen wurde von vielen demokratischen Parteien als wichtiges Zeichen gewertet.
Gemischte Bilanz für die Grünen
Für die Grünen, die seit 2022 gemeinsam mit der CDU die Landesregierung in NRW stellen, fielen die Ergebnisse gemischt aus. Ein großer Erfolg war der erstmalige Gewinn des Oberbürgermeisterpostens in der Universitätsstadt Münster. Dies ist ein wichtiger symbolischer Sieg für die Partei.
Dem gegenüber stehen jedoch die schmerzhaften Verluste der Oberbürgermeisterämter in Bonn und Aachen, die die Grünen erst 2020 erobert hatten. Auch in Köln konnte sich die Kandidatin Berivan Aymaz nicht durchsetzen. Die Ergebnisse bestätigen den Trend aus dem ersten Wahlgang, bei dem die Grünen im Vergleich zu ihrem Rekordergebnis von 2020 hohe Einbußen hinnehmen mussten.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak kündigte an, Lehren aus den Ergebnissen ziehen zu wollen. „Was wir jetzt zu tun haben, in Richtung Landtagswahl und in Richtung Bundestagswahl, ist, das Vertrauen wieder aufzubauen, dass grüne Politik die richtigen Antworten auf die Fragen der Gegenwart und der Zukunft liefert“, erklärte Banaszak.




