Nach den entscheidenden Stichwahlen um kommunale Spitzenämter in Nordrhein-Westfalen hat der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke eine erste Analyse vorgelegt. Während CDU und SPD ihre Positionen weitgehend halten oder sogar ausbauen konnten, zählen die Grünen und die AfD zu den klaren Verlierern dieses Wahltages. Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse in den Städten und Gemeinden des Landes.
Kernaussagen zur Wahl
- Die CDU behauptet ihre Stellung als stärkste kommunale Kraft in NRW.
- Die SPD verzeichnet schmerzhafte Verluste wie in Dortmund, aber auch bedeutende Erfolge wie in Köln.
- Die AfD scheitert daran, ihre Gewinne aus dem ersten Wahlgang in Bürgermeisterämter umzuwandeln.
- Die Grünen können nicht an ihre Erfolge von 2020 anknüpfen und verlieren an Zuspruch.
- Ein Experte rät den Parteien zu einer pragmatischeren und weniger ideologisch geprägten Lokalpolitik.
CDU und SPD mit unterschiedlichen Ergebnissen
Die beiden großen Volksparteien in Nordrhein-Westfalen, CDU und SPD, blicken mit gemischten Gefühlen auf die Ergebnisse der Stichwahlen. Laut Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität Bochum kann die CDU ihre Rolle als „kommunalpolitische Kraft Nummer eins“ festigen. Dies bestätigt den Trend, dass die Christdemokraten in vielen Städten und Gemeinden weiterhin stark verankert sind.
Die Sozialdemokraten erlebten einen Abend der Extreme. Einerseits mussten sie eine historisch bedeutsame Niederlage hinnehmen. Andererseits gab es auch Grund zur Freude, der die Gesamtbilanz aufhellt.
Historischer Wechsel in Dortmund
Besonders schmerzhaft für die SPD war der Verlust des Oberbürgermeisteramtes in Dortmund. Nach fast 80 Jahren ununterbrochener Regierung durch die Sozialdemokraten ging dieser wichtige Posten an die CDU. Dieser Machtwechsel in einer der größten Städte des Ruhrgebiets hat eine hohe symbolische Bedeutung und markiert eine Zäsur in der lokalen Politikgeschichte.
Wichtiger Sieg in Köln
Gleichzeitig konnte die SPD einen strategisch wichtigen Sieg in der Millionenstadt Köln erringen. Nach zehn Jahren in der Opposition stellt sie nun wieder die Oberbürgermeisterin. Dieser Erfolg gleicht die Niederlage in Dortmund teilweise aus und zeigt, dass die Partei in den Metropolen des Landes weiterhin konkurrenzfähig ist.
Die Bedeutung der Stichwahlen
Stichwahlen finden in NRW statt, wenn im ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen erreicht. In der zweiten Runde treten dann nur noch die beiden bestplatzierten Kandidaten gegeneinander an. Dies führt oft zu neuen Wählerkoalitionen und kann das Ergebnis des ersten Wahlgangs komplett verändern.
Grüne und AfD als klare Verlierer
Während CDU und SPD trotz einzelner Rückschläge eine solide Bilanz ziehen können, gehören die Grünen und die AfD zu den eindeutigen Verlierern der Stichwahlen. Beide Parteien konnten ihre Ziele nicht erreichen und mussten deutliche Dämpfer hinnehmen.
AfD kann Anfangserfolg nicht nutzen
Die AfD, die im ersten Wahlgang vor zwei Wochen teils starke Ergebnisse erzielte, wurde in den Stichwahlen deutlich zurückgedrängt. Keiner ihrer drei Kandidaten für die Oberbürgermeisterposten in Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen war erfolgreich. Die Partei scheiterte daran, ihre Wählerbasis für die zweite Runde zu mobilisieren.
Starker erster Wahlgang, schwache Stichwahl
Im ersten Wahlgang erreichte die AfD in einer der genannten Städte ein Ergebnis von 14,5 Prozent. Dieses Ergebnis konnte jedoch in der Stichwahl nicht bestätigt werden. Die Wähler der anderen Parteien schlossen sich mehrheitlich hinter den Gegenkandidaten zusammen, um einen AfD-Bürgermeister zu verhindern.
Politikwissenschaftler Lembcke bezeichnete die Partei daher als „Verliererin der Stichwahlen“. Die Ergebnisse zeigen, dass die AfD zwar über ein festes Wählerpotenzial verfügt, es ihr aber an breiterer Akzeptanz fehlt, um Mehrheiten zu gewinnen.
Die Grünen im Abwärtstrend
Auch für die Grünen war der Wahlabend eine Enttäuschung. Die Partei konnte nicht an die Erfolge der Kommunalwahl 2020 anknüpfen, bei der sie von einer starken öffentlichen Debatte über Klimaschutz profitierte.
„Das Leiden der Grünen setzt sich fort“, kommentierte Lembcke die Situation der Partei im Interview mit dem WDR 5. Der Experte sieht einen klaren Grund für diese Entwicklung.
Die Kernthemen der Grünen wie Umwelt, Klima und Natur seien heute stärker „polarisiert“ als noch vor einigen Jahren. Viele Wähler scheinen aktuell andere Prioritäten zu setzen, was sich negativ auf die Wahlergebnisse der Partei auswirkt.
Expertenrat: Pragmatismus vor Ideologie
Aus den Ergebnissen der Stichwahlen leitet Oliver Lembcke eine klare Empfehlung für alle Parteien ab. Anstatt auf ideologische Grundsatzdebatten zu setzen, sei in der Kommunalpolitik vor allem pragmatisches Handeln gefragt. Die Bürger erwarteten konkrete Lösungen für die Probleme vor Ort.
Lembcke riet den Parteien zu einer „ideologiefernen Politik“. Dies bedeute, sich auf Sachthemen wie die Sanierung von Schulen, den Ausbau des Nahverkehrs oder die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu konzentrieren. Parteipolitische Grabenkämpfe würden von den Wählern zunehmend abgestraft.
Ausblick auf die politische Arbeit
Die Wahlergebnisse werden die politische Landschaft in vielen Kommunen in NRW nachhaltig verändern. Die neuen Mehrheitsverhältnisse in den Stadträten erfordern von allen Parteien Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit.
- Für die CDU gilt es, ihre starke Position zu nutzen und stabile Bündnisse zu schmieden.
- Die SPD muss ihre Rolle in den Städten neu definieren, in denen sie die Führung verloren hat, und ihre Erfolge in anderen Kommunen als Basis für die Zukunft nutzen.
- Grüne und AfD stehen vor der Herausforderung, ihre strategische Ausrichtung zu überdenken, um bei zukünftigen Wahlen wieder mehr Wähler zu überzeugen.
Insgesamt zeigen die Stichwahlen, dass die Wähler in Nordrhein-Westfalen differenziert entscheiden und die politische Arbeit vor Ort genau beobachten. Die Parteien, die glaubwürdige und praktische Lösungen anbieten, haben die besten Chancen auf Erfolg.




