Im Rhein bei Leverkusen wurden erhöhte Konzentrationen der giftigen Chemikalie Perfluorbutansulfonsäure (PFBS) festgestellt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert den Betreiber des Chemparks Leverkusen, Currenta, auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen. PFBS steht seit 2020 auf der EU-Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe. Es gilt als gesundheitsschädlich und kann schwerwiegende Folgen für Mensch und Umwelt haben.
Wichtige Punkte
- Erhöhte PFBS-Werte im Rhein nahe Chempark Leverkusen entdeckt.
- PFBS ist eine „Ewigkeitschemikalie“ und steht auf der EU-Liste besorgniserregender Stoffe.
- Der Stoff stammt aus Sickerwasser der Chempark-Deponie Leverkusen-Bürrig.
- BUND fordert Currenta zur Filterung und zusätzlicher Klärwerksreinigung auf.
- Currenta kündigt „gezielte Maßnahmen“ zur Reduzierung von PFAS-Frachten an.
Gefährliche Chemikalie PFBS im Rhein nachgewiesen
Anfang März dieses Jahres führte der BUND eine Stichprobe im Rheinwasser nahe des Leverkusener Chemparks durch. Dabei wurde eine deutlich erhöhte Menge an PFBS festgestellt. Die gemessene Konzentration betrug an einem Tag 2 Kilogramm. Der Orientierungswert liegt bei 35 Gramm pro Tag, wie BUND-Wasserexperte Paul Kröfges der NRZ mitteilte. Eine Überschreitung dieses Wertes sollte die zuständigen Behörden zum Handeln veranlassen.
Derzeit existiert kein gesetzlicher Grenzwert für PFBS im Abwasser. Umweltverbände, die EU und die Niederlande fordern jedoch seit Langem verbindliche Grenzwerte. Ab dem Jahr 2026 werden sehr strenge Grenzwerte für Trinkwasser in Kraft treten. Dies unterstreicht die Dringlichkeit der Situation.
Fakten zu PFBS
- PFBS gehört zur Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS).
- Diese Stoffe werden als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet, da sie extrem langlebig und schwer abbaubar sind.
- Sie verbleiben über sehr lange Zeiträume in der Umwelt.
- Einige PFAS-Stoffe sind aufgrund ihrer Giftigkeit bereits verboten, weitere Verbote sind geplant.
Gesundheitliche Risiken durch PFBS
PFBS wird in verschiedenen Produkten eingesetzt, um diese wasser- oder fettabweisend zu machen. Es findet sich in Einwegkaffeebechern, Textilien, Möbeln, Kochgeschirr und sogar Zahnseide. In Pizzakartons verhindert es das Durchweichen der Pappe, in Löschschaum dient es zum Ersticken von Flammen und in Wärmepumpen als Kältemittel.
Für Mensch und Umwelt kann PFBS jedoch gefährlich sein. Laut der Europäischen Umweltagentur kann der Stoff die Leber schädigen, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und Krebs auslösen. PFBS reichert sich im Körper an und kann über die Muttermilch an Babys weitergegeben werden. Diese Eigenschaften machen PFBS zu einem Stoff mit „wahrscheinlich schwerwiegenden Folgen“ für Mensch und Umwelt.
„Wir und alle Umwelt- und Wasserverbände, die EU und die Niederlande fordern schon lange endlich verbindliche Grenzwerte im Abwasser für diese gefährlichen Stoffe ein, zumal es jetzt ab 2026 sehr strenge Grenzwerte für das Trinkwasser gibt.“
Paul Kröfges, BUND-Wasserexperte
Herkunft des Giftstoffs: Sickerwasser der Deponie
Nach dem Fund der hohen PFBS-Konzentrationen fragte der BUND bei der Bezirksregierung Köln nach der Herkunft der Chemikalie. Im vergangenen Jahr hatte der Chempark-Betreiber Currenta nach BUND-Angaben bereits rund 100 Gramm PFBS pro Tag über seine Kläranlage in den Rhein geleitet. Die Bezirksregierung klärte auf, dass der Stoff aus dem Sickerwasser der Deponie im Chempark stamme.
Dies überraschte die Umweltschützer, so Kröfges. Ihnen sei bislang nicht bekannt gewesen, dass solche Mengen aus der Deponie in den Rhein gelangen. Offensichtlich stammt die Chemikalie aus Produktionsrückständen und anderem kontaminierten Material. Der BUND fordert Currenta nun auf, PFBS und ähnliche Stoffe aus dem Sickerwasser zu filtern, bevor es in das Klärwerk eingeleitet wird.
Hintergrund: „Ewigkeitschemikalien“
Perfluorbutansulfonsäure (PFBS) gehört zur Familie der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS). Diese synthetischen organischen Fluorverbindungen sind für ihre extreme Stabilität und Langlebigkeit bekannt. Sie widerstehen Hitze, Wasser und Öl, was sie in vielen industriellen und Konsumprodukten nützlich macht. Ihre chemische Struktur macht sie jedoch auch extrem schwer abbaubar in der Umwelt. Einmal freigesetzt, verbleiben sie über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte in Böden, Gewässern und Organismen. Dies führt zu einer Anreicherung in der Umwelt und in Lebewesen, einschließlich des Menschen.
Forderungen an Currenta: Filterung und vierte Reinigungsstufe
Der BUND argumentiert, dass eine Filterung des Sickerwassers technisch möglich und zumutbar sei. Dies wurde in einem Schreiben an NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) und den Kölner Regierungspräsidenten Thomas Wilk dargelegt. Der Verband kritisiert, dass das Sickerwasser ohne weitere Vorbehandlung mit dem sonstigen Abwasser des Chemparks vermischt und der Gemeinschaftskläranlage zugeführt wird. Diese Anlage ist nicht in der Lage, die PFBS-Belastung entscheidend zu vermindern.
Zusätzlich zur Filterung fordert der BUND eine vierte Reinigungsstufe für das Klärwerk von Currenta. Angesichts eines Volumens von jährlich 40 Millionen Kubikmetern Abwasser, die dort behandelt werden, gelangen „erhebliche Mengen an Mikroverunreinigungen“ in den Rhein. Die aktuelle Behandlung des Abwassers sei nicht mehr zeitgemäß und unverantwortlich, so die Umweltschützer. Sie betonen, dass Currenta sich derzeit nur auf „Vorbehandlung, Stapelung, Vermischung der Firmenabwässer mit kommunalem Abwasser, biologischer Reinigung und Nährstoffeliminierung“ beschränkt.
Currenta kündigt „gezielte Maßnahmen“ an
Auf Anfrage der Redaktion erklärte ein Sprecher von Currenta, dass Abwässer gemäß den gesetzlichen und behördlichen Vorgaben nach entsprechender Reinigung und Aufbereitung sicher über die Kläranlage eingeleitet würden. Die Anlage sei genehmigt und werde behördlich überwacht. Currenta verfolge das Ziel, Abwässer sicher zu klären.
Der Sprecher räumte ein, dass Deponiesickerwässer eine „komplexe technische Herausforderung“ darstellen. Er versicherte:
„Currenta arbeitet bereits seit einiger Zeit intensiv daran, gezielte Maßnahmen und Behandlungsverfahren zu erproben, um die PFAS-Frachten aus dem Sickerwasser schrittweise und nachhaltig zu reduzieren.“
Bereits im Sommer dieses Jahres wurde Currenta in einer Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Klima NRW (Lanuk) zur Belastung von Mikroplastik im Rhein als mögliche Schadstoffquelle genannt. Die Studie stellte eine extreme Mikroplastik-Belastung im Abwasser eines industriellen Einleiters fest. Hier hätte laut der Studie schon lange eine weitergehende Reinigung erfolgen müssen.
Niederlande schlagen Alarm wegen Rhein-Chemikalien
Die Problematik der Chemikalienbelastung im Rhein ist nicht nur ein regionales, sondern auch ein grenzüberschreitendes Thema. Die Niederlande schlagen ebenfalls Alarm wegen zu vieler Chemikalien im Rhein. Der Fluss ist eine wichtige Trinkwasserquelle und ein zentrales Ökosystem für mehrere europäische Länder. Die Belastung mit „Ewigkeitschemikalien“ stellt eine langfristige Gefahr dar, die gemeinsame Anstrengungen erfordert.
Die Forderung nach strengeren Grenzwerten und besseren Reinigungsverfahren ist daher nicht nur national, sondern auch international von großer Bedeutung. Die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Umweltorganisationen und Industrie ist entscheidend, um die Qualität des Rheinwassers nachhaltig zu verbessern und die Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren.




