In Köln, einer Stadt mit einem angespannten Wohnungsmarkt, gewinnt ein altes Konzept wieder an Bedeutung: die Werkswohnung. Unternehmen wie die Stadtwerke Köln setzen verstärkt auf firmeneigene Wohnungen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Dieses Modell bietet Mitarbeitern bezahlbaren Wohnraum und verschafft den Unternehmen einen entscheidenden Vorteil im Wettbewerb um Talente.
Die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK) ist ein zentraler Akteur in dieser Entwicklung. Mit einem Bestand von fast 2.000 Wohnungen und Plänen für Hunderte Neubauten zeigt sich, dass die Idee der Mitarbeiterwohnung nicht nur ein Relikt der Vergangenheit, sondern eine zukunftsfähige Strategie ist.
Wichtige Fakten
- Die Stadtwerke Köln bieten über ihre Tochtergesellschaft WSK fast 2.000 Wohnungen für Mitarbeiter an.
- Die Mieten liegen rund ein Drittel unter dem ortsüblichen Niveau, was eine Ersparnis von bis zu sechs Euro pro Quadratmeter bedeuten kann.
- Jeder zweite neue Mitarbeiter der Stadtwerke nimmt das Angebot einer Firmenwohnung an.
- Aufgrund hoher Nachfrage plant die WSK den Bau von 400 neuen Wohnungen und die Sanierung des Bestands.
- Seit 2019 müssen Mietnachlässe bis zu einem Drittel unter der ortsüblichen Miete nicht mehr als geldwerter Vorteil versteuert werden.
Die Rückkehr der Werkswohnung in Köln
Angesichts steigender Mieten und knappen Wohnraums in Köln wird die Werkswohnung wieder zu einem attraktiven Instrument für Arbeitgeber. Was in den frühen 2000er-Jahren als überholt galt und von vielen Konzernen wie Bayer oder Ford abgestoßen wurde, erlebt heute eine bemerkenswerte Wiederbelebung. Die Stadtwerke Köln entschieden sich damals gegen einen Verkauf und investierten stattdessen dreistellige Millionenbeträge in ihren Wohnungsbestand.
Diese strategische Entscheidung zahlt sich heute aus. „Den demografischen Wandel gibt es ja nicht erst seit gestern“, erklärt Bernd Preuss, Leiter der Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK). Das Unternehmen müsse deutschlandweit nach Fachkräften suchen, und ein attraktives Wohnungsangebot sei dabei ein entscheidender Faktor.
Ein unschlagbares Angebot für neue Mitarbeiter
Für viele Bewerber ist die Aussicht auf eine bezahlbare Wohnung in Köln ein starkes Argument. Laut Preuss nimmt die Hälfte aller neuen Angestellten bei den Stadtwerken das Angebot an und bezieht zum Arbeitsbeginn eine WSK-Wohnung. Das Verfahren ist unkompliziert: Oft werden Arbeits- und Mietvertrag gleichzeitig unterzeichnet.
„Und wenn dann alles klappt, unterschreibt er bei uns gleich zwei Verträge: einen Arbeitsvertrag und einen Mietvertrag.“Bernd Preuss, Leiter der WSK
Dieses Kombi-Angebot erleichtert nicht nur den Umzug nach Köln, sondern fördert auch die Mitarbeiterbindung. Die WSK stellt Wohnungen für verschiedene Lebensphasen zur Verfügung, von kleinen Apartments für Auszubildende bis hin zu größeren Einheiten für Familien.
Zahlen und Daten der WSK
- Wohnungsbestand: Knapp 2.000 Einheiten
- Mieter: Jeder zehnte Mitarbeiter der Stadtwerke wohnt in einer WSK-Wohnung
- Zukünftiger Bedarf: Laut Personalplanung werden rund 800 weitere Wohnungen benötigt
- Geplante Neubauten: 400 Wohnungen sind bereits in Planung
Eine Erfolgsgeschichte über Generationen
Die Bedeutung der Werkswohnungen für die Mitarbeiter zeigt sich eindrücklich am Beispiel von Ralf Chroscinski. Der KVB-Mitarbeiter wurde 1967 in einer WSK-Wohnung in Ehrenfeld geboren, in der bereits sein Vater, ebenfalls bei der KVB beschäftigt, lebte. Später übernahm er die Wohnung von seinen Eltern und gründete dort seine eigene Familie.
„Klar, ist hier jedes Gespräch nach dem FC und den Haien auf die KVB gekommen“, erinnert sich Chroscinski an seine Kindheit. Die enge Verbindung zum Arbeitgeber prägte das soziale Leben in der Siedlung. Diese Verbundenheit setzt sich fort: Auch sein Sohn arbeitet heute für die KVB und lebt mit seiner Familie in der ehemaligen elterlichen Wohnung.
Ralf Chroscinski selbst zieht nun wieder in die Siedlung seiner Kindheit zurück, in eine frisch sanierte Wohnung am Melatengürtel. „Wegen der Nähe zum Enkel und aus Verbundenheit zum Viertel“, sagt er. „Da fühle ich mich zu Hause.“
Vom sozialen Brennpunkt zum Vorzeigeprojekt
In den frühen 2000er-Jahren hatten die WSK-Wohnungen einen schlechten Ruf. „Es wurde zu wenig investiert, die Qualität der Wohnungen war schlecht, teilweise entstanden dort soziale Brennpunkte“, räumt WSK-Leiter Bernd Preuss ein. Die Entscheidung, den Bestand nicht zu verkaufen, sondern umfassend zu modernisieren, war ein Wendepunkt. Heute gelten die sanierten Quartiere und architektonisch anspruchsvollen Neubauten als Aushängeschild des Unternehmens.
Wirtschaftliche und steuerliche Vorteile
Das Modell der WSK ist wirtschaftlich tragfähig, da die Gesellschaft nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. „Wir schreiben eine schwarze Null und geben jeden wirtschaftlichen Vorteil darüber hinaus weiter“, verspricht Geschäftsführer Preuss. Die Mieten liegen dadurch im Schnitt rund ein Drittel unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Bei einem Neubau kann die Ersparnis für Mieter bis zu sechs Euro pro Quadratmeter betragen.
Die Finanzierung wird durch ein System von Belegungsrechten gesichert. Gesellschaften wie die KVB oder die Rheinenergie sichern sich Kontingente für ihre Mitarbeiter und sorgen so für Planungssicherheit bei der WSK.
Politische Unterstützung für Mitarbeiterwohnungen
Auch die Politik hat den Wert von Werkswohnungen erkannt. Eine entscheidende Änderung erfolgte 2019: Seitdem muss der Mietnachlass nicht mehr als geldwerter Vorteil versteuert werden, solange die Miete nicht mehr als ein Drittel unter dem ortsüblichen Niveau liegt. Dies macht das Modell für Arbeitnehmer deutlich attraktiver als einen reinen Wohnkostenzuschuss, der voll steuerpflichtig wäre.
Bernd Preuss betont den gesellschaftlichen Nutzen: „Ein Arbeitgeberzuschuss baut keine Wohnung. Er verschärft nur den Konflikt auf dem Wohnungsmarkt und heizt die Mieten weiter an.“ Firmeneigener Wohnungsbau hingegen schaffe neuen Wohnraum genau in dem Segment, das am dringendsten benötigt wird: zwischen dem sozialen Wohnungsbau und dem hochpreisigen Luxussegment.
Auch andere Unternehmen setzen auf das Modell
Die Stadtwerke Köln sind nicht das einzige Unternehmen, das auf Mitarbeiterwohnungen setzt. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Köln hat das Potenzial erkannt. An der Oscar-Jäger-Straße wurden 29 Wohnungen für 35 Mieter geschaffen, die vor allem neuen Mitarbeitern den Start in der Stadt erleichtern sollen.
DRK-Sprecher Ismail Bulut bezeichnet die Wohnungen als „unseren Joker bei der Mitarbeiter-Akquise“. Besonders für gefragte Fachkräfte wie Notfallsanitäter oder Pflegepersonal werden gezielt Plätze freigehalten. „Viele Bewerber erkundigen sich schon im Vorstellungsgespräch, ob eine Wohnung frei ist“, so Bulut.
Trotz der offensichtlichen Vorteile bieten laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nur etwa fünf Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren Angestellten Wohnraum an. Preuss vermutet, dass dies ein „Mentalitätsthema“ sei. Während kleinere und mittlere Unternehmen oft flexibler agieren, seien Konzerne häufig zu schwerfällig, um solche Immobilienprojekte umzusetzen. Die positiven Beispiele aus Köln könnten jedoch dazu beitragen, das Modell der Werkswohnung wieder stärker in den Fokus zu rücken.




