Die Bundesregierung plant eine Verschärfung der Regeln für das Bürgergeld, das künftig Grundsicherung heißen soll. Während der Sozialverband VdK in Nordrhein-Westfalen die Maßnahmen zur Eindämmung von Leistungsmissbrauch unterstützt, warnen andere große Sozialverbände, einschließlich des eigenen Bundesverbands, vor den sozialen Folgen und üben scharfe Kritik an den Plänen.
Wichtige Punkte
- Der Sozialverband VdK NRW befürwortet die geplanten strengeren Sanktionen beim Bürgergeld, um Missbrauch zu verhindern.
- Bundesweite Sozialverbände, darunter der VdK-Bundesverband und der Paritätische Gesamtverband, kritisieren die Reform scharf.
- Die Reform sieht vor, Leistungen bei wiederholter Verweigerung schrittweise bis auf null kürzen zu können, einschließlich der Mietkosten.
- Neben den Sanktionen wird auch die Einführung einer „Aktivrente“ diskutiert, die von Verbänden unterschiedlich bewertet wird.
Geteilte Meinungen zur Bürgergeld-Reform
Die von der Bundesregierung angekündigte Reform des Bürgergelds sorgt für eine deutliche Spaltung unter den deutschen Sozialverbänden. Die Pläne, die eine Umbenennung in „Grundsicherung“ und vor allem schärfere Sanktionsmöglichkeiten beinhalten, stoßen auf ein gemischtes Echo. Im Mittelpunkt der Debatte steht die Frage, wie man Leistungsmissbrauch verhindert, ohne bedürftige Menschen in existenzielle Not zu bringen.
Horst Vöge, der Vorsitzende des VdK-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, positioniert sich klar hinter den Regierungsplänen. Er argumentiert, dass das Sozialsystem vor Ausnutzung geschützt werden müsse. Diese Haltung unterscheidet sich jedoch erheblich von der Position anderer wichtiger sozialer Akteure.
VdK NRW: Unterstützung für einen strengeren Kurs
Der VdK NRW, der in Nordrhein-Westfalen rund 426.000 Mitglieder vertritt, hält die angekündigten Maßnahmen für „durchaus angemessen“. Verbandschef Horst Vöge betonte, dass staatliche Unterstützung denen zukommen solle, die sie wirklich benötigen.
„Wir können es uns nicht leisten, dass unser Sozialsystem ausgenutzt wird“, erklärte Vöge. Sein Verband habe ein Ausnutzen des Bürgergeldes stets abgelehnt.
Vöge wies jedoch darauf hin, dass die rechtliche Haltbarkeit der Pläne abzuwarten sei. Insbesondere die Möglichkeit einer 100-prozentigen Kürzung der Leistungen könnte vor dem Bundesverfassungsgericht erneut geprüft werden. Ein früheres Urteil hatte eine vollständige Streichung der Leistungen als nicht rechtens eingestuft. Die Regierung argumentiert nun, dass die schrittweise Kürzung verfassungskonform sei.
Bundesweite Kritik von anderen Sozialverbänden
Im Gegensatz zur regionalen Gliederung in NRW äußern sich die Bundesverbände deutlich kritischer. Sie befürchten, dass die Verschärfungen vor allem Menschen unter Druck setzen, die auf Hilfe angewiesen sind, und warnen vor einer Zunahme von Armut und sozialer Ausgrenzung.
Hintergrund der Reform
Die Spitzen der Koalitionsparteien CDU, SPD und CSU haben sich auf eine umfassende Reform geeinigt. Kernpunkte sind:
- Umbenennung: Das Bürgergeld soll wieder „Grundsicherung“ heißen.
- Sanktionen: Bei wiederholter Verweigerung von zumutbarer Arbeit oder dem Versäumen von Terminen sollen die Leistungen schrittweise gekürzt werden können.
- Vollständige Streichung: In letzter Konsequenz soll auch die Übernahme der Mietkosten gestrichen werden können.
Stimmen der Kritiker
Verena Bentele, die Präsidentin des VdK-Bundesverbands, äußerte die Befürchtung, „dass die neuen Sanktionen wenig hilfreichen Druck auf viele Menschen ausüben werden“. Sie sieht die Gefahr, dass die Maßnahmen ihr Ziel verfehlen und stattdessen die Not vergrößern.
Auch Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), kritisierte die Debatte als „würdelos“. Sie fordert einen gesellschaftlichen Perspektivwechsel:
„Wir müssen endlich hin zu einer Debatte kommen, wie wir Vermögende in unsere solidarische Gesellschaft stärker einbeziehen können, statt nur nach unten zu treten.“
Die schärfste Kritik kommt vom Paritätischen Gesamtverband. Dessen Hauptgeschäftsführer Joachim Rock bezeichnete die Pläne als „ein ungerechtfertigtes und unsoziales Misstrauensvotum gegen Arbeitsuchende“.
Existenzielle Not statt Arbeitsvermittlung?
Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband warnt eindringlich vor den Folgen der geplanten Kürzungen. Er argumentiert: „So bringt man niemanden in Arbeit, sondern treibt Betroffene in existenzielle Not.“ Seiner Meinung nach setzt die Regierung auf Strafen statt auf die notwendige individuelle Unterstützung bei der Jobsuche.
Die Debatte um die „Aktivrente“
Ein weiterer Baustein der Reformpläne ist die Einführung einer sogenannten „Aktivrente“. Dieses Konzept soll es Menschen erleichtern, auch im Rentenalter weiterzuarbeiten, insbesondere wenn die Rente allein nicht zum Leben ausreicht. Auch hier gehen die Meinungen auseinander.
Lob mit Einschränkungen
Horst Vöge vom VdK NRW begrüßt die Idee der Aktivrente grundsätzlich. Er sieht darin eine gute Möglichkeit für Menschen, ihr Einkommen im Alter aufzubessern. Gleichzeitig übt er jedoch Kritik an der Praxis vieler Unternehmen.
„Bei Entlassungswellen werden zuerst die älteren Mitarbeiter rausgeschmissen“, so Vöge. Er fordert daher von Politik und Wirtschaft ein Aktionsprogramm zur Weiterbildung älterer Beschäftigter. Ziel müsse es sein, zu verhindern, dass Menschen kurz vor der Rente arbeitslos werden. „Ältere gehören zu den größten Opfern der aktuellen wirtschaftlichen Lage“, mahnte er.
Weitere Forderungen des VdK NRW
Vöge nutzte die Gelegenheit, um weitere sozialpolitische Anliegen anzusprechen. So kritisierte er, dass ein ursprünglich geplantes Gleichstellungsgesetz für Barrierefreiheit von der Bundesregierung nicht weiterverfolgt wird. Fachkräfte mit körperlichen Einschränkungen seien für den Arbeitsmarkt wichtig und benötigten entsprechende Absicherung.
Zudem sieht er Handlungsbedarf auf europäischer Ebene. Es müsse verhindert werden, dass Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern wie Bulgarien oder Rumänien, die in Deutschland im Niedriglohnsektor arbeiten, zusätzlich Bürgergeld beziehen. Dies dürfe in Zukunft nicht mehr möglich sein, so die Forderung des VdK NRW.




