In Köln verändert sich eine langjährige Tradition: Immer mehr Kneipen setzen zum Karnevalsauftakt am 11. November auf den Verkauf von Eintrittskarten. Dieser Wandel vom spontanen Kneipenbesuch hin zu einem geplanten Event wird durch Sicherheitsauflagen, wirtschaftliche Notwendigkeiten und den Wunsch nach besserer Planbarkeit vorangetrieben.
Für viele Jecken bedeutet dies eine grundlegende Umstellung. Das traditionelle „Kneipen-Hopping“, also der spontane Wechsel von einer Gaststätte zur nächsten, wird durch das Ticketsystem erschwert. Stattdessen verbringen Feiernde oft den gesamten Tag in einer einzigen Lokalität. Wirte und Gäste bewerten diese Entwicklung unterschiedlich.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Kölner Kneipen verlangen am 11.11. Eintritt und verkaufen Tickets im Voraus.
- Gründe sind Sicherheitszonen, wirtschaftlicher Druck und bessere Planbarkeit für die Gastronomen.
- Das traditionelle „Kneipen-Hopping“ wird dadurch stark eingeschränkt.
- Die Preise für Tickets variieren erheblich, von 20 Euro bis zu über 100 Euro für spezielle Pakete.
- Einige Traditionskneipen halten am freien Eintritt fest, was zu extrem langen Warteschlangen führt.
Sicherheitszonen zwingen Wirte zum Umdenken
Ein wesentlicher Grund für die Einführung von Ticketsystemen sind die Sicherheitskonzepte der Stadt Köln, insbesondere rund um die Zülpicher Straße im Kwartier Latäng. Dieses Gebiet wird am 11.11. regelmäßig wegen Überfüllung abgeriegelt, um die Menschenmassen zu kontrollieren.
Anna Heller, die Geschäftsführerin von Hellers Brauhaus, erklärt die Situation aus ihrer Sicht. „In manchen Jahren wurde es so voll, dass die Zugänge schon um 10 Uhr geschlossen werden mussten“, sagt sie. Das führte zu einem drastischen Umsatzrückgang, da keine Gäste mehr zu ihrem Lokal durchkamen.
Die einzige Lösung war die Einführung eines Ticketvorverkaufs. Inhaber von Eintrittskarten erhalten über separate Eingänge Zugang zum gesperrten Bereich. „Wenn ich keine Tickets vorab verkaufe, kommt im schlimmsten Fall eben niemand zu mir“, fasst Heller die wirtschaftliche Notwendigkeit zusammen, auch wenn sie selbst das traditionelle Feiern vermisst.
„Das Kneipen-Hopping von Bar zu Bar hatte schon was. Aber die Umstände zwingen uns zu handeln.“ - Anna Heller, Hellers Brauhaus
Der Thekenverkauf als Zeichen der Wertschätzung
Viele Wirte bevorzugen den direkten Verkauf der Tickets an der Theke. Im Hellers Brauhaus kosten die Karten für den diesjährigen Sessionsauftakt 20 Euro. Ein Online-Verkauf wird bewusst nicht angeboten. „Das Schöne am analogen Thekenverkauf ist ja auch, dass man danach noch auf ein Kölsch bleiben kann“, so Heller.
Auch Maike Block von der Interessengemeinschaft Gastro sieht darin einen Vorteil. „Damit zeigt man besonders seinen Stammgästen Wertschätzung“, erklärt sie. Dieser Ansatz stärkt die Bindung zur lokalen Kundschaft, die bereit ist, für eine Karte persönlich vorbeizukommen.
Wirtschaftliche Gründe und hohe Ticketpreise
Neben den Sicherheitsaspekten spielen wirtschaftliche Überlegungen eine entscheidende Rolle. Alexander Manek, Inhaber des Haus Unkelbach in Sülz, nennt klare Gründe für die Einführung von Eintrittspreisen. Früher standen die Menschen bereits um fünf Uhr morgens an, um einen Platz zu bekommen.
Preisspanne für Karnevalstickets
Die Kosten für den Eintritt am 11.11. oder an Weiberfastnacht sind sehr unterschiedlich. Während einige Kneipen um die 20 bis 35 Euro verlangen, bot das Haus Unkelbach an Weiberfastnacht ein All-inclusive-Paket für 111 Euro an, das Getränke, Snacks und Livemusik umfasste.
Ein weiteres Problem sei das Verhalten einiger Gäste. „Das Problem der jungen Leute ist, dass sie sich Getränke außerhalb am Kiosk holen und danach wieder reinkommen. Also nutzen sie meinen gesicherten Ort hier, aber trinken woanders“, erklärt Manek. Der Eintrittspreis soll sicherstellen, dass der Umsatz auch in der Kneipe gemacht wird.
Die Tickets für den 11.11. im Haus Unkelbach kosteten dieses Jahr 35 Euro inklusive Wasser und waren bereits Wochen im Voraus ausverkauft. Manek hat den Preis im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gesenkt, da er beobachtet, dass die Menschen stärker auf ihre Ausgaben achten.
Tradition gegen den Trend: Feiern ohne Ticket
Trotz des wachsenden Trends zum Ticketverkauf gibt es weiterhin Gaststätten, die an der alten Tradition festhalten. Die Ubierschänke in der Südstadt verzichtet bewusst auf einen Vorverkauf und eine Tageskasse. Der Eintritt bleibt am 11.11. den ganzen Tag über frei.
Nicole Nacke, die seit über 20 Jahren dort arbeitet, beschreibt das Vorgehen: „Wir sind eine ganz normale kölsche Eckkneipe und die Devise ist: Früh genug da sein.“ Die Türen öffnen um 10 Uhr, und die Kneipe ist meist innerhalb von 15 Minuten voll. Danach bleibt die Tür geschlossen.
Die Herausforderung des freien Eintritts
Für Gäste bedeutet das Modell der Ubierschänke, stundenlanges Anstehen in Kauf zu nehmen. Wer einmal drinnen ist, bleibt oft den ganzen Tag, um seinen Platz nicht zu verlieren. Dies verändert das Verhalten der Feiernden im Vergleich zu früher, als ein häufigerer Wechsel zwischen den Kneipen üblich war.
Die Chance, später am Tag noch Einlass zu finden, ist gering. „Die Leute stehen teilweise drei, vier Stunden an und bleiben dementsprechend auch länger“, so Nacke. Für sie persönlich käme der Kauf teurer Tickets nicht infrage, da das Risiko zu groß sei, dass die Stimmung nicht den Erwartungen entspricht.
Tipps für Jecken am 11. November
Wer am Sessionsauftakt in Köln feiern möchte, muss sich gut vorbereiten. Die Planung hängt stark davon ab, ob man ein Ticket besitzt oder nicht.
Für Feiernde ohne Ticket:
- Früh aufstehen: Um in eine Kneipe mit freiem Eintritt zu gelangen, ist es notwendig, sehr früh am Morgen vor Ort zu sein und sich in die Warteschlange einzureihen.
- Die zweite Welle nutzen: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, am frühen Abend gegen 19 Uhr einen Versuch zu starten. Zu dieser Zeit haben die ersten Feiernden die Lokale oft schon verlassen.
Für Feiernde mit Ticket:
- Vorverkaufsstarts beachten: Viele Kneipen beginnen bereits im August oder September mit dem Ticketverkauf. Informationen dazu finden sich oft auf den Social-Media-Kanälen der Lokale.
- Pünktlich sein: Auch mit Ticket gelten oft bestimmte Einlasszeiten. Es ist ratsam, sich vorab über die genauen Bedingungen zu informieren.
Der Wandel im Kölner Kneipenkarneval scheint sich fortzusetzen. Während einige die garantierte Feier durch ein Ticket schätzen, trauern andere der Spontaneität vergangener Tage nach. Der 11.11. wird somit immer mehr zu einem organisierten Event, das eine bewusste Entscheidung erfordert: langes Anstehen für Tradition oder ein Ticket für garantieren Einlass.




