Die Stadt Köln steht vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Kämmerin Dörte Diemert warnt vor einem Rekorddefizit von 443,8 Millionen Euro für das Jahr 2026 und der wachsenden Gefahr, in die Haushaltssicherung zu geraten. Dies würde die Handlungsfähigkeit der Stadt massiv einschränken. Grund sind sinkende Steuereinnahmen und stark steigende Ausgaben.
Das Wichtigste in Kürze
- Drohendes Rekorddefizit: Für 2026 wird ein Haushaltsloch von 443,8 Millionen Euro erwartet.
- Hauptursachen: Einbruch bei der Gewerbesteuer, hohe Kosten für Soziales, Jugend, Schulbau und Personal.
- Gefahr der Haushaltssicherung: Die Stadt könnte ihre finanzielle Autonomie verlieren und müsste bei freiwilligen Leistungen wie Kultur und Sport drastisch kürzen.
- Diemerts Forderung: Alle Ausgaben und Standards müssen überprüft werden, um die finanzielle Handlungsfähigkeit zu sichern.
Die aktuelle Finanzlage: Zahlen und Fakten
Die finanzielle Situation der Stadt Köln spitzt sich zu. Die schwache Konjunktur führt zu einem deutlichen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen. Allein seit Januar 2025 liegen die Einnahmen rund 100 Millionen Euro unter dem Vorjahreswert. Kämmerin Dörte Diemert bezeichnet die Lage der kommunalen Haushalte bundesweit als „dramatisch“.
Die Prognosen für die kommenden Jahre sind besorgniserregend. Laut aktueller Planung wird das Defizit im Jahr 2026 auf einen historischen Höchststand von 443,8 Millionen Euro ansteigen. Gleichzeitig wächst die Gesamtverschuldung der Stadt bis 2029 rasant an, was den politischen Spielraum der Stadtspitze zunehmend einengt.
Kölns Eigenkapital schmilzt
Obwohl Köln Ende 2024 noch über ein Eigenkapital von 5,3 Milliarden Euro verfügte, ist der Trend alarmierend. Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 500 Millionen Euro dieses Kapitals aufgebraucht. Setzt sich diese Entwicklung fort, droht der Stadt eine ähnliche Lage wie bereits überschuldeten Kommunen.
Woher kommen die hohen Kosten?
Die Schere zwischen den Einnahmen und Ausgaben der Stadt öffnet sich seit 2024 immer weiter. Laut Dörte Diemert gibt es mehrere zentrale Kostentreiber, die den Haushalt belasten.
Soziales, Jugend und Personal
Besonders stark steigen die Ausgaben in den Bereichen Soziales und Jugend. Hinzu kommen die Kosten für den intensivierten Schulbau, der notwendig ist, um die wachsende Stadt zu versorgen. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die Personalkosten. „Die vergleichsweise hohen Tarifabschlüsse“ im öffentlichen Dienst schlagen hier deutlich zu Buche, so die Kämmerin.
Aufgaben von Bund und Land
Ein wiederkehrendes Problem ist die Übertragung von Aufgaben durch Bund und Land, ohne dass eine vollständige Gegenfinanzierung erfolgt. Diemert kritisiert, dass diese Aufgaben „beständig mehr“ werden. Beispiele hierfür sind die Unterbringung von Geflüchteten und die Wohngeldreform.
Beispiel Offene Ganztagsschule (OGS)
Ab Mitte 2026 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz für ihre Kinder im Grundschulalter. Dies führt für Köln zu erheblichen Kosten für Umbaumaßnahmen und Betreuungspersonal. Diemert stellt klar: „Die Zuschüsse reichen bei Weitem nicht, um die Kosten der Stadt zu decken.“
Welche Maßnahmen werden diskutiert?
Um ein Abrutschen in die Haushaltssicherung zu verhindern, hat die Stadtverwaltung einen Prozess mit externer Beratung eingeleitet. Ziel ist es, Einsparpotenziale zu identifizieren und die Effizienz zu steigern. Dabei werden alle Bereiche auf den Prüfstand gestellt.
„Das Loch in unserem Haushalt ist so groß, dass wir unsere finanzielle Handlungsfähigkeit nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung mit dem Schulterschluss aller Beteiligter und einem ausgewogenen Bündel von Maßnahmen erhalten können.“
Steuererhöhungen allein reichen nicht
Eine Erhöhung von Steuern und Gebühren wird nicht ausgeschlossen. Diemert weist darauf hin, dass die Steuersätze in Köln im Vergleich zu anderen Großstädten „eher moderat“ seien. Sie macht jedoch deutlich, dass dies allein nicht ausreichen wird.
„Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Die Spielräume bei den Steuern sind endlich. Deshalb müssen wir in Köln auch die Vielzahl der Aufgaben und Projekte, die verwaltungsinternen Prozesse und liebgewonnene Standards auf den Prüfstand stellen“, so Diemert.
Was eine Haushaltssicherung für Köln bedeuten würde
Sollte es der Stadt nicht gelingen, den Haushalt auszugleichen, droht die sogenannte Haushaltssicherung. Dies hätte gravierende Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die politische Gestaltungsmacht der Stadt.
Der Stadtrat müsste ein striktes Sparprogramm (Haushaltssicherungskonzept) beschließen, das von der Bezirksregierung genehmigt werden muss. Wird es nicht genehmigt, verliert die Stadt einen Großteil ihrer finanziellen Autonomie. Die Aufsichtsbehörde würde dann viele Entscheidungen vorgeben.
- Verlust der Gestaltungsfreiheit: Die Stadt könnte nicht mehr frei über Investitionen und Ausgaben entscheiden.
- Kürzungen bei freiwilligen Leistungen: Besonders betroffen wären Bereiche wie Kultur (z.B. Museen, Theater), Sport (z.B. Vereinsförderung) und Soziales.
- Druck auf Investitionen: Dringend benötigte Projekte, wie der Bau von Schulen oder die Sanierung von Brücken, könnten verzögert oder gestrichen werden.
Der Appell an Bund und Land
Diemert fordert von den übergeordneten politischen Ebenen mehr finanzielle Ehrlichkeit. Es könne nicht die Lösung sein, die Kosten für neue Aufgaben und die damit verbundene Verschuldung einfach auf die Kommunen abzuwälzen. „Es braucht mehr Ehrlichkeit auf allen Ebenen“, betont sie.
Sie schlägt konkrete strukturelle Änderungen vor, um die finanzielle Basis der Kommunen zu stärken. Dazu gehören beispielsweise ein höherer Anteil an der Umsatzsteuer für die Städte oder der Wegfall der Gewerbesteuerumlage, die die Kommunen an Bund und Land abführen müssen.
Wo die Kommunalpolitik noch handeln kann
Trotz der angespannten Lage hat der Kölner Stadtrat noch Handlungsspielraum. Zwar sind viele Aufgaben gesetzliche Pflicht, doch die Politik kann oft über die Standards der Umsetzung entscheiden.
Dies betrifft beispielsweise:
- Die Ausstattung von Schulen, Kitas und Bibliotheken.
- Die Dichte und Ausgestaltung von Kultur-, Jugend- und Sporteinrichtungen.
- Entscheidungen über die Anzahl der städtischen Museen oder die Finanzierung einer eigenen Tanzkompanie.
- Die Priorisierung großer Infrastrukturprojekte wie dem Neubau von Rheinbrücken.
Im Bereich der freiwilligen Leistungen hat die Politik die größten Freiheiten. Diemert stellt klar: „Es gibt aber keinerlei Verpflichtung, alles so zu erhalten, wie es ist.“ Der Rat könne Schwerpunkte setzen oder entscheiden, bestimmte Förderungen nicht fortzuführen. Die kommenden Haushaltsberatungen werden zeigen, welche schmerzhaften Entscheidungen getroffen werden müssen, um Kölns finanzielle Zukunft zu sichern.




