Die Josef-Kardinal-Frings-Brücke zwischen Düsseldorf und Neuss, eine zentrale Verkehrsader, ist stark sanierungsbedürftig. Während Sofortmaßnahmen die Brücke für die kommenden Jahre stabilisieren sollen, laufen die Planungen für einen kompletten Neubau. Die Wirtschaft fordert Tempo, doch die Komplexität des Projekts birgt erhebliche Herausforderungen.
Wichtige Fakten
- Die Südbrücke bleibt für LKW über 7,5 Tonnen bis zum Abriss gesperrt, was die regionale Wirtschaft stark belastet.
- Die Industrie- und Handelskammern beziffern den jährlichen wirtschaftlichen Schaden durch Umwege auf 45 Millionen Euro.
- Die Planungsgesellschaft Deges prüft derzeit in einer Machbarkeitsstudie verschiedene Neubauvarianten. Ergebnisse werden für das Frühjahr 2026 erwartet.
- Experten diskutieren Methoden wie eine „funktionale Ausschreibung“, um den Bauprozess deutlich zu beschleunigen.
Wirtschaft fordert schnellere Lösung für marode Rheinbrücke
Die Josef-Kardinal-Frings-Brücke, im Volksmund als Südbrücke bekannt, ist ein Nadelöhr für den Verkehr zwischen Düsseldorf und Neuss. Seit Sommer 2024 laufen Ertüchtigungsarbeiten, um die fast 100 Jahre alte Konstruktion für die nächsten Jahre befahrbar zu halten. Eine dauerhafte Lösung ist das jedoch nicht.
Für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen ist die Überfahrt dauerhaft gesperrt. Diese Einschränkung hat weitreichende Folgen. Spediteure, Landwirte und Industriebetriebe sind gezwungen, lange und kostspielige Umwege in Kauf zu nehmen. Der Neubau könnte noch 15 Jahre auf sich warten lassen.
Wirtschaftlicher Schaden
Die IHK Mittlerer Niederrhein und die IHK Düsseldorf schätzen den volkswirtschaftlichen Schaden durch die LKW-Sperrung auf rund 45 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Betrag ergibt sich aus zusätzlichen Transportkosten, längeren Fahrzeiten und dem damit verbundenen logistischen Aufwand.
Angesichts dieser Zahlen wächst der Druck auf die Politik. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Hauptgeschäftsführer der beiden Kammern, Jürgen Steinmetz und Gregor Berghausen, die NRW-Landesregierung zu einem entschlossenen Handeln auf. Ihr Ziel: ein Planungsverfahren, das nicht länger als ein Jahr dauert.
Planungen für den Neubau haben begonnen
Hinter den Kulissen hat die Arbeit am Ersatzbauwerk bereits begonnen. Die bundeseigene Planungsgesellschaft Deges hat das Projekt offiziell in ihre Agenda aufgenommen und erste vorbereitende Maßnahmen eingeleitet.
Seit September 2025 laufen Vermessungsarbeiten auf und um die Brücke. Diese sollen laut einer Sprecherin der Deges bis spätestens März 2026 abgeschlossen sein. Parallel dazu wird eine umfassende Machbarkeitsstudie erstellt.
„Dabei sollen unter anderem verschiedene Varianten der Trassierung, Brückentypen und Überbauarten erstellt werden“, erklärte die Deges-Sprecherin. Ziel sei es, am Ende eine Rangfolge der besten Optionen zu haben.
Eine konkrete Aussage zu Baukosten oder einem möglichen Baubeginn ist laut Deges derzeit noch nicht möglich. Man befinde sich in einem sehr frühen Stadium der Planung.
Können die alten Pfeiler wiederverwendet werden?
Eine zentrale Frage, die die Planer beschäftigt, ist die Weiternutzung der bestehenden Brückenpfeiler. Zwei dieser massiven Fundamente stehen direkt im Rheinbett. Um deren Zustand zu prüfen, wurden bereits Bohrkerne entnommen, die nun in Laboren untersucht werden.
Professor Bernd Naujoks von der Bergischen Universität Wuppertal sieht darin eine potenziell ideale Lösung. „Es wäre ideal, wenn man die Unterbauten der Brücke für den Neubau weiternutzen könnte“, so der Experte für Stahl- und Verbundkonstruktionen. Dies könnte Zeit und erhebliche Kosten sparen.
Allerdings birgt dieser Ansatz auch ein erhebliches Risiko. Naujoks warnt: „Würde die neue Brücke auf den alten Pfeilern gebaut werden können, heißt das, dass nach dem Abriss der alten Brücke erstmal für die gesamte Bauzeit des Neubaus an der Stelle keine Brücke zur Verfügung steht.“ Eine mehrjährige Vollsperrung der Rheinquerung wäre für die regionale Wirtschaft ein katastrophales Szenario.
Wie lässt sich der Brückenbau beschleunigen?
Die eigentliche Bauzeit einer Rheinbrücke ist laut Professor Naujoks nicht das größte Problem. Er schätzt sie auf etwa zwei bis drei Jahre. Viel entscheidender für die Gesamtdauer des Projekts seien die vorgelagerten Prozesse.
„Die Art der Ausschreibung macht den Unterschied“, betont Naujoks. Er schlägt eine sogenannte „funktionale Ausschreibung“ als „Zeitspar-Garant“ vor. Bei diesem Modell werden Baufirmen sehr früh in den Planungsprozess einbezogen.
Was ist eine funktionale Ausschreibung?
Anstatt detaillierte Baupläne vorzugeben, definiert der Auftraggeber nur die Anforderungen und Ziele (z. B. Tragfähigkeit, Lebensdauer, Anzahl der Spuren). Die Baufirmen entwickeln daraufhin eigene technische Lösungen und Entwürfe. Dieser Ansatz fördert Innovation und kann die Planungs- und Bauzeit erheblich verkürzen, wie es beispielsweise beim Neubau der Rahmedetalbrücke an der A45 praktiziert wird.
Weitere Faktoren für einen schnellen Bau
Neben dem Vergabeverfahren spielen auch technische Aspekte eine wichtige Rolle bei der Beschleunigung des Baus:
- Bauart der Brücke: Eine Schrägseilbrücke wie die benachbarte Fleher Brücke benötigt keine Pfeiler im Fluss, was die Rheinschifffahrt erleichtert. Größere Spannweiten bedeuten jedoch in der Regel auch höhere Kosten und eine längere Bauzeit.
- Zusätzliche Anforderungen: Die neue Südbrücke muss nicht nur den Straßenverkehr, sondern auch eine Straßenbahnlinie tragen. „Das verschärft die Anforderungen an das neue Bauwerk an Tragfähigkeit und Bau-Qualität“, erklärt Naujoks.
- Baumethode: Anstelle eines massiven Hohlkastens könnten mehrere kleinere Stahlverbundelemente vor Ort montiert werden. Diese lassen sich einfacher per Schwertransport zur Baustelle bringen.
- Logistik vor Ort: Die Möglichkeit, mit Pontons auf dem Rhein zu arbeiten, würde den Bau beschleunigen, da von zwei Seiten gleichzeitig gearbeitet werden könnte. Einschränkungen zum Schutz der Schifffahrt könnten den Prozess jedoch verlangsamen.
Ausblick und nächste Schritte
Die Deges hält sich mit weiteren Details zur neuen Südbrücke bedeckt und verweist auf die laufende Machbarkeitsstudie. Erst im Frühjahr 2026, wenn die Ergebnisse dieser Studie vorliegen, wird mehr Klarheit über die Zukunft der wichtigen Rheinquerung herrschen.
Bis dahin müssen Pendler und die regionale Wirtschaft mit den bestehenden Einschränkungen leben und hoffen, dass die Verantwortlichen einen Weg finden, den unvermeidlichen Neubau so schnell und effizient wie möglich zu realisieren.




