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Kölner überlebt 75 Minuten langen Herzstillstand

Ein 26-jähriger Kölner hat auf wundersame Weise einen 75-minütigen Herzstillstand überlebt. Nach sechs Wochen im Koma kämpft er sich nun zurück ins Leben.

Marie Schreiber
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Marie Schreiber

Marie Schreiber ist eine Journalistin mit Fokus auf Gesellschafts- und Gesundheitsthemen. Sie berichtet über soziale Initiativen, Präventionskampagnen und Entwicklungen im öffentlichen Gesundheitswesen in Köln und der Region.

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Kölner überlebt 75 Minuten langen Herzstillstand

Ein junger Mann aus Köln hat einen 75-minütigen Herzstillstand überlebt, ein Ereignis, das viele Ärzte als medizinisches Wunder bezeichnen. Nach einem plötzlichen Herzinfarkt und sechs Wochen im künstlichen Koma kämpft sich Sebastian Hafer nun zurück ins Leben.

Der damals 25-Jährige brach am 4. November 2024 ohne jegliche Vorerkrankungen zusammen. Was folgte, war ein monatelanger Kampf auf der Intensivstation, geprägt von multiples Organversagen, zahlreichen Operationen und einer ungewissen Zukunft.

Wichtige Fakten

  • Sebastian Hafer erlitt mit 25 Jahren einen plötzlichen Herzinfarkt ohne bekannte Vorerkrankungen.
  • Rettungskräfte reanimierten ihn 75 Minuten lang, wobei achtmal ein Defibrillator zum Einsatz kam.
  • Nach dem Herzstillstand lag er sechs Wochen im künstlichen Koma und erlitt multiples Organversagen.
  • Trotz der geringen Überlebenschancen erwachte er ohne bleibende geistige Schäden.
  • Heute kämpft er sich mit körperlichen Einschränkungen zurück in den Alltag und teilt seine Geschichte.

Ein Abend, der alles veränderte

Es war der Abend des 4. November 2024, als das Leben von Sebastian Hafer eine dramatische Wendung nahm. Während eines Besuchs bei seiner Freundin Johanna in Ahaus bekam der Kölner plötzlich schwere Atemnot. „Es wurde immer schlimmer. Ich bin raus in den Garten, mit der Hoffnung, dass ich besser Luft bekomme“, berichtet Hafer.

Doch die frische Luft half nicht. Nach wenigen Schritten brach er vor der Garagentür zusammen und verlor das Bewusstsein. Die Ursache: ein schwerer Herzinfarkt. Was danach geschah, kennt er nur aus den Erzählungen seiner Familie und der Ärzte.

75 Minuten zwischen Leben und Tod

Der Vater seiner Freundin begann sofort mit der Reanimation, die kurz darauf von den eintreffenden Rettungskräften fortgesetzt wurde. Insgesamt 75 Minuten lang kämpften die Notärzte um sein Leben. Immer wieder setzte sein Herz aus, das Kammerflimmern kehrte zurück. Achtmal musste der Defibrillator eingesetzt werden.

„Ich kann von Glück sprechen, dass es die Notärzte so lange versucht haben, sonst wäre ich jetzt nicht mehr hier“, sagt Hafer heute voller Dankbarkeit.

Überlebenschancen bei Herzstillstand

Laut Professor Christian Karagiannidis, einem Kölner Intensivmediziner, liegt die Überlebensrate bei einem Herzstillstand ohne sofortige Reanimation bei nur etwa zehn Prozent. Eine so lange Wiederbelebungsdauer mit positivem Ausgang ist extrem selten.

Der Kampf auf der Intensivstation

Nach der Einlieferung ins Krankenhaus in Ahaus wurde Hafer in ein künstliches Koma versetzt, um seinen Körper zu schonen. Doch der lange Sauerstoffmangel hatte bereits schwere Folgen: ein septischer Schock und multiples Organversagen. Sein Zustand war kritisch.

Die Ärzte sahen kaum noch eine Überlebenschance. Hafer benötigte dringend eine Herz-Lungen-Maschine (ECMO), doch die Situation schien aussichtslos. Wie er berichtet, lehnten 14 angefragte Spezialkliniken seine Aufnahme ab. Das Risiko, dass er den Transport nicht überleben würde, wurde als zu hoch eingeschätzt.

Die Uniklinik Essen wagt den Versuch

Die Wende kam durch die Zusage der Uniklinik Essen. „Die haben gesagt: Das ist ein junger Mensch, da probieren wir es auf jeden Fall“, erzählt Hafer. Drei Tage nach dem Herzstillstand wurde er im sedierten Zustand mit einem Hubschrauber ins Ruhrgebiet geflogen. Doch auch dort ging der Kampf weiter.

Es folgten weitere schwere Komplikationen, darunter ein Leberriss, Nierenversagen und Darmblutungen. Sieben Operationen und eine weitere Wiederbelebung waren notwendig. Die Prognose blieb schlecht.

„Die Ärzte konnten meinen Eltern und meiner Freundin nie sagen, ob ich am nächsten Tag noch da bin.“

Das Erwachen und die Folgen

Nach sechs Wochen im Koma, versorgt durch 19 Schläuche, entschieden sich die Ärzte Mitte Dezember, den Aufwachprozess einzuleiten. Niemand wusste, in welchem Zustand Sebastian Hafer erwachen würde. „Es hätte auch sein können, dass ich für immer ein Pflegefall bleibe“, erklärt er die damalige Ungewissheit.

Der Moment des Erwachens war für ihn ein Schock. Er war desorientiert und hatte unzählige Fragen. Doch langsam kehrte die Klarheit zurück. Ein entscheidender Moment war, als er auf Bitten seiner Freundin die Zunge herausstrecken konnte. Später fiel ihm sogar der PIN-Code seiner SIM-Karte wieder ein – ein Zeichen, dass sein Gedächtnis intakt war.

Ein medizinisches Wunder

Dass Sebastian Hafer nicht nur die 75 Minuten ohne Herzschlag überlebt hat, sondern auch geistig vollständig präsent ist, wird von Medizinern als außergewöhnlich bezeichnet. Viele Ärzte, mit denen er gesprochen hat, nennen seinen Fall ein „medizinisches Wunder“.

Ein zweites Leben mit neuen Prioritäten

Obwohl sein Geist unversehrt blieb, hat sein Körper schwere Schäden davongetragen. Durch das lange Liegen bildeten sich seine Muskeln zurück. Er musste alltägliche Fähigkeiten wie Schlucken, Sprechen, Atmen und Gehen mühsam neu erlernen. Seine rechte Hand kann er derzeit nicht bewegen, und aufgrund der Bauchoperationen ist er auf einen künstlichen Darmausgang angewiesen.

Ein implantierter Defibrillator, sein „kleiner Schutzengel“, überwacht nun ständig sein Herz. Die anfängliche Angst, allein zu sein, hat er mithilfe psychologischer Unterstützung überwunden. Eine immense Stütze sind seine Familie und besonders seine Freundin Johanna. „Es ist nicht selbstverständlich, dass sie geblieben ist. Johanna ist jeden Tag da gewesen und nimmt mich so, wie ich bin“, betont er.

Ein bewussterer Alltag

Die Erfahrung hat sein Leben verändert. Er nimmt sich bewusst mehr Pausen und geht achtsamer mit seiner Zeit um. Ein neues Ritual ist eine morgendliche Andacht, um dankbar in den Tag zu starten. „Ich habe einen stärkeren Glauben daran entwickelt, dass es ‚mehr‘ gibt und dass mein Überleben kein Zufall war“, sagt er.

Seit September absolviert er eine stufenweise Wiedereingliederung in seine Ausbildung bei der Sparkasse. Auf seinem Instagram-Kanal „75minutenundich“ teilt er seine Geschichte und berichtet von seinem Weg zurück in sein „zweites Leben“.