Die Kölner Mitsing-Initiative „Loss mer singe“ hat ihr 25-jähriges Bestehen gefeiert. Bei einer Veranstaltung im Herbrands in Ehrenfeld kamen am 3. Oktober 2025 zahlreiche Musiker und Wegbegleiter zusammen, um die Entwicklung von einer privaten Idee zur festen Institution der Kölner Kneipenkultur zu würdigen. Die Feier stand unter dem Motto „Vun Superjeilezick bes hück un wigger“.
Kernaussagen
- Die Initiative „Loss mer singe“ feierte ihr 25-jähriges Jubiläum im Kölner Club Herbrands.
- Gegründet wurde das Format von Georg Hinz, der ursprünglich in seiner Küche mit Freunden neue Karnevalslieder testete.
- Die Veranstaltungen gelten als wichtiger Indikator für die erfolgreichsten Lieder einer Karnevalssession.
- Für die kommende Session sind über 60 Veranstaltungen geplant, erstmals auch außerhalb von NRW in Stuttgart.
Die Anfänge in einer Nippeser Küche
Die Geschichte von „Loss mer singe“ begann nicht in einer großen Halle, sondern in der Wohnküche von Georg Hinz. Als der Hobby-DJ Anfang der 1990er Jahre von Goch nach Köln zog, vermisste er in den Kneipen authentische kölsche Musik, die oft von gängigen Schlagern verdrängt wurde.
Aus diesem Grund lud er Freunde zu sich nach Nippes ein. Das Konzept war einfach: Jeder Gast erhielt einen Zettel mit den Texten der Refrains, dann wurden die vielversprechendsten neuen Karnevalslieder der Saison gespielt. Am Ende des Abends stimmten alle über ihren Favoriten ab. Dieses Grundprinzip – Mitsingen, Mitfeiern und Mitstimmen – ist bis heute das Herzstück der Initiative.
Ein entscheidender Moment
Ein Schlüsseldatum war der 11. November 2000. Georg Hinz sah im Fernsehen die Sessionseröffnung, bei der die Höhner einer damals neuen Band namens Brings für ein Lied die Bühne überließen. Der Song „Superjeilezick“ beeindruckte Hinz so sehr, dass er noch vor Ladenschluss eine CD kaufte und den Text vervielfältigte, um ihn abends mit Freunden in der Kneipe Lapidarium im Eigelstein zu singen.
Vom Geheimtipp zur kulturellen Institution
Was als spontane Aktion begann, entwickelte sich schnell zu einem festen Bestandteil der Kölner Kulturlandschaft. „Loss mer singe“ wurde zu einem Phänomen, das die Kneipen füllte und eine neue Form des gemeinsamen Erlebens von Karnevalsmusik etablierte.
Für die Kölner Musikszene hat die Initiative eine enorme Bedeutung. Die Abstimmungen in den Kneipen gelten als verlässlicher Gradmesser dafür, welche Lieder beim Publikum ankommen. Ein Erfolg bei „Loss mer singe“ kann für eine Band den Durchbruch bedeuten.
„‚Loss mer singe‘ war immer der Silberstreif am Horizont im Karneval. Wenn du da gewinnst, wusstest du, dass die Leute dir zugehört haben“, erklärte Stephan Brings von der Band Brings die Wichtigkeit der Mitsingabende.
Die Jubiläumsfeier im Herbrands
Zur Feier des 25-jährigen Bestehens versammelte sich die Kölner Karnevalsfamilie im Herbrands. Der Abend begann mit einem Festakt, bei dem in Talkrunden auf die Geschichte zurückgeblickt wurde. Nici Kempermann, Sängerin der Band Kempes Feinest, führte als Moderatorin durch das Programm.
Anschließend wurde auf dem gesamten Gelände gefeiert. Bands wie Fiasko, Lupo und Halvlang traten live auf, ergänzt durch ein vielfältiges Programm mit Karaoke, Quizrunden und gemeinsamem Singen am Lagerfeuer.
Zahlen und Fakten zu „Loss mer singe“
- Gründung: Die erste öffentliche Veranstaltung fand Ende 2000 statt.
- Konzept: Vorstellung von 20 neuen Liedern pro Session mit anschließender Abstimmung.
- Reichweite: Über 60 geplante Veranstaltungen in der kommenden Session.
- Expansion: Erstmals wird es 2026 eine Veranstaltung in Stuttgart geben.
Stimmen aus der Kölner Musikszene
Zahlreiche Künstler betonten die Rolle der Initiative für ihre Karrieren und die kölsche Musikkultur. Hanz Thodam von den Bläck Fööss sagte: „Was dort in den Kneipen gut funktioniert, geht auch draußen in den Sälen.“ Er erinnerte sich an seine erste Teilnahme, bei der er gespannt beobachtete, wie das Publikum auf seine Lieder reagierte.
Auch Basti Campmann von Kasalla, einer der Seriensieger der vergangenen Jahre, hob den gemeinschaftlichen Aspekt hervor. Er zitierte einen Neurologen mit den Worten: „Wenn man singt, kann man gleichzeitig keine Angst haben.“ Dies mache das gemeinsame Singen so wertvoll.
Einig waren sich die Musiker auch in der Bedeutung der kölschen Sprache. Bömmel Lückerath, ehemaliges Mitglied der Bläck Fööss, mahnte: „Köln lebt von der kölschen Sprache und den kölschen Liedern. Wenn die Titel nicht mehr auf Kölsch gesungen werden, werden wir beliebig.“
Herausforderungen und Zukunft
Mit der wachsenden Vielfalt und Professionalität der Kölner Musikszene wird die Auswahl der 20 nominierten Lieder jedes Jahr schwieriger. Helmut Frangenberg, einer der Mitinitiatoren, räumte ein, dass die Masse an gut produzierten Titeln die Entscheidung kompliziert mache.
Die Initiative sieht sich auch in der Verantwortung, neben etablierten Hits auch Newcomer und Lieder abseits des Mainstreams zu fördern. Gleichzeitig gibt es die Erwartung, potenzielle Sessionshits abzubilden. Dieser Spagat bleibt eine zentrale Aufgabe für die Organisatoren.
Dass die Initiative weit mehr als nur Musik ist, verdeutlichte Nils Schreiber von der Band Miljö. Sein Bandkollege Sven Löllgen lernte seine Frau bei einem „Loss mer singe“-Abend kennen. „Das Singen verbindet und bietet Menschen einen Ort, um zusammenzukommen“, so Schreiber. Dies sei heute wichtiger denn je.




