Angesichts der angespannten Lage auf dem Kölner Wohnungsmarkt setzen immer mehr Unternehmen wieder auf ein bewährtes Modell: die Werkswohnung. Firmen wie die Stadtwerke Köln schaffen gezielt Wohnraum für ihre Belegschaft, um im Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten und Mitarbeiter langfristig zu binden. Das Konzept, das lange als veraltet galt, erlebt eine Renaissance.
Das Wichtigste in Kürze
- Kölner Unternehmen wie die Stadtwerke und das DRK bieten wieder vermehrt Mitarbeiterwohnungen an, um Fachkräfte zu gewinnen.
- Die Mieten liegen oft deutlich unter dem Marktdurchschnitt, was durch eine Steuerregelung seit 2019 begünstigt wird.
- Die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK) plant den Bau von 400 neuen Wohnungen und saniert umfassend den Bestand.
- Das Modell gilt als wirksames Instrument gegen den Fachkräftemangel und zur Mitarbeiterbindung in einem teuren Wohnungsmarkt.
Das Comeback der Werkswohnung in Köln
Der Kölner Wohnungsmarkt ist für viele eine große Herausforderung. Hohe Mieten und eine geringe Verfügbarkeit machen die Suche nach einer passenden Bleibe schwierig. In dieser Situation greifen einige Kölner Arbeitgeber auf eine Strategie zurück, die in den frühen 2000er-Jahren aus der Mode gekommen war: Sie bauen und verwalten Wohnungen für ihre eigenen Angestellten.
Was früher als „Werkswohnung“ bekannt war, wird heute als strategischer Vorteil im Kampf um qualifizierte Arbeitskräfte gesehen. Unternehmen schaffen nicht nur Wohnraum, sondern bieten potenziellen Bewerbern ein Gesamtpaket aus Arbeitsplatz und bezahlbarem Zuhause. Dies erleichtert besonders den Zuzug von Fachkräften aus anderen Regionen Deutschlands.
Stadtwerke Köln als Vorreiter
Ein zentraler Akteur dieser Entwicklung in Köln sind die Stadtwerke mit ihrer Tochtergesellschaft, der Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln mbH (WSK). Die WSK verwaltet einen Bestand von fast 2.000 Wohnungen. Aktuell wohnt bereits jeder zehnte Mitarbeiter der Stadtwerke-Gruppe in einer dieser Firmenwohnungen.
Bernd Preuss, der Leiter der WSK, beschreibt die hohe Nachfrage: „Jeder Zweite, der neu bei den Stadtwerken anfängt, nimmt das Angebot an und bezieht zum Start eine WSK-Wohnung.“ Er bezeichnet das Kombi-Angebot aus Arbeits- und Mietvertrag als „unschlagbar“. Um dem Bedarf gerecht zu werden, plant die WSK den Bau von rund 400 neuen Wohnungen und investiert massiv in die Sanierung des bestehenden Portfolios.
Zahlen und Fakten zur WSK
- Wohnungsbestand: Knapp 2.000 Einheiten
- Mieter: Rund 10 % der Stadtwerke-Mitarbeiter
- Zukünftiger Bedarf: Ca. 800 weitere Wohnungen
- Geplante Neubauten: 400 Wohnungen
- Mietpreis: Etwa ein Drittel unter der ortsüblichen Vergleichsmiete
Ein Modell mit langer Tradition und neuer Strategie
Für viele Mitarbeiter der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), die zum Stadtwerke-Konzern gehören, ist die Werkswohnung mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Ralf Chroscinski ist ein Beispiel dafür. Er wurde 1967 in einer WSK-Wohnung in Köln-Ehrenfeld geboren, sein Vater arbeitete bei der KVB. Später übernahm er selbst die Wohnung und auch sein Sohn, der ebenfalls bei der KVB tätig ist, lebt heute mit seiner Familie dort.
Diese enge Verbindung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort schafft eine besondere Identifikation. „Wegen der Nähe zum Enkel und aus Verbundenheit zum Viertel“, erklärt Chroscinski seine Entscheidung, wieder in die Siedlung seiner Kindheit zurückzukehren. „Da fühle ich mich zu Hause.“
Vom Sanierungsfall zum Aushängeschild
Die Geschichte der Mitarbeiterwohnungen war nicht immer eine Erfolgsgeschichte. In den frühen 2000er-Jahren trennten sich viele Konzerne wie Bayer und Ford von ihren Immobilienbeständen. Auch bei der WSK gab es Probleme. „Es wurde zu wenig investiert, die Qualität der Wohnungen war schlecht, teilweise entstanden dort soziale Brennpunkte“, räumt WSK-Leiter Preuss offen ein.
Doch anstatt zu verkaufen, entschieden sich die Stadtwerke für einen anderen Weg. „Statt zu verkaufen, sind wir einen anderen Weg gegangen und haben dreistellige Millionenbeträge investiert“, so Preuss. Diese Entscheidung zahlt sich heute aus. Moderne Neubauprojekte, wie das am Hermeskeiler Platz, haben sogar Architekturpreise gewonnen. Preuss betont:
„Heute muss man sich nicht mehr schämen, wenn man bei der WSK wohnt. Die Mitarbeiterwohnungen sind ganz im Gegenteil die Visitenkarte des Unternehmens geworden.“
Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
Die Attraktivität von Mitarbeiterwohnungen wird durch günstige Rahmenbedingungen verstärkt. Ein entscheidender Faktor ist eine Steueränderung aus dem Jahr 2019. Seitdem müssen Mietnachlässe von bis zu einem Drittel unter der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht mehr als geldwerter Vorteil versteuert werden. Dies macht das Modell für Arbeitnehmer deutlich lukrativer als einen reinen Wohnkostenzuschuss, der voll steuerpflichtig wäre.
Warum sich Mitarbeiterwohnungen wieder lohnen
Der angespannte Wohnungsmarkt, der Fachkräftemangel und vorteilhafte steuerliche Regelungen haben das Konzept der Werkswohnung wiederbelebt. Unternehmen schaffen damit nicht nur Wohnraum, sondern auch einen handfesten Vorteil im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter. Im Gegensatz zu finanziellen Zuschüssen, die den Mietmarkt weiter anheizen können, tragen Neubauten zur Entlastung bei.
Laut Bernd Preuss ist dieser Ansatz nachhaltiger: „Der Arbeitgeberzuschuss baut keine Wohnung. Er verschärft nur den Konflikt auf dem Wohnungsmarkt und heizt die Mieten weiter an.“ Firmeneigene Wohnungen hingegen schaffen neuen Wohnraum in einem Segment, das zwischen dem sozialen Wohnungsbau und dem hochpreisigen Luxussegment dringend benötigt wird.
Auch andere Organisationen setzen auf das Konzept
Die Stadtwerke sind nicht das einzige Beispiel in Köln. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat die Vorteile erkannt. An der Oscar-Jäger-Straße wurden 29 Wohnungen für insgesamt 35 Mieter geschaffen, hauptsächlich Apartments und WG-Zimmer. DRK-Sprecher Ismail Bulut bezeichnet diese als „unseren Joker bei der Mitarbeiter-Akquise“.
Das Angebot richtet sich vor allem an neu zugezogene Mitarbeiter in Mangelberufen wie Pflegefachkräfte und Notfallsanitäter. „Viele Bewerber erkundigen sich schon im Vorstellungsgespräch, ob eine Wohnung frei ist“, berichtet Bulut. Dies zeigt, wie wichtig ein solches Angebot für die Entscheidung potenzieller Mitarbeiter geworden ist.
Ein Modell mit Zukunft?
Trotz der offensichtlichen Vorteile ist das Mitarbeiterwohnen in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bieten nur etwa fünf Prozent der Unternehmen ihren Angestellten direkt Wohnraum an. Die Studie, die im Auftrag des Bundesbauministeriums erstellt wurde, kommt jedoch zu dem Schluss: „Der Bedarf ist da und erste gute Beispiele zeigen, wie derartige Projekte erfolgreich realisiert werden können.“
Bernd Preuss sieht den Grund für die zögerliche Haltung vieler Firmen in einem „Mentalitätsthema“. Vor allem große Konzerne seien oft zu schwerfällig, um solche Immobilienprojekte umzusetzen. In Köln beweisen die Stadtwerke und das DRK jedoch, dass sich die Investition in die eigenen Mitarbeiter lohnt – und gleichzeitig einen Beitrag zur Entspannung des Wohnungsmarktes leisten kann.




