Köln verzeichnete 2024 mit 7,1 Millionen Übernachtungen ein Rekordjahr im Tourismus. Eine neue Analyse von Bewegungsdaten zeigt jedoch, dass die meisten Besucher die Stadt nur in einem sehr kleinen Radius erleben. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen dem Dom, der Hohenzollernbrücke und dem Schokoladenmuseum – und verpassen dabei große Teile des Kölner Lebens.
Die Daten eines Standortanalyse-Unternehmens machen eine klare Trennung sichtbar: Während sich Touristen in der Innenstadt konzentrieren, bleiben die Kölnerinnen und Kölner oft lieber in ihren Veedeln. Diese „touristische Blase“ ist für Großstädte nicht ungewöhnlich, wirft aber Fragen zur nachhaltigen Stadtentwicklung auf.
Die wichtigsten Erkenntnisse
- Touristen in Köln bewegen sich vor allem in einem engen Korridor rund um den Dom und das Rheinufer.
- Stadtteile wie Ehrenfeld, die Südstadt oder das Belgische Viertel werden von Einheimischen dominiert.
- Mit einer Tourismusintensität von sieben Übernachtungen pro Einwohner gilt Köln noch nicht als überlaufen.
- KölnTourismus will gezielt Besucher ansprechen, die auch alternative Viertel und die lokale Kultur entdecken möchten.
Ein Magnet namens Dom
Für die meisten Besucher ist der Kölner Dom der unbestrittene Anziehungspunkt. Das bestätigen auch Melanie und Ammon Anderson aus Utah, USA. „Wir waren letztes Jahr für drei Tage in Köln und es war das Highlight unserer Reise“, erzählen sie bei einem kurzen Zwischenstopp, den Koffer noch in der Hand. „Wir wollten den Dom nochmal sehen. Er ist so atemberaubend.“
Ihre Route vom ersten Besuch – Dom, Rheinufer, Schokoladenmuseum – ist typisch. Eine Auswertung anonymisierter Handydaten des Unternehmens Targomo zeigt, dass sich die Bewegungsmuster von Touristen stark auf wenige bekannte Sehenswürdigkeiten konzentrieren. Auf den Karten des Unternehmens leuchten die Bereiche um den Dom, die Hohe Straße, die Hohenzollernbrücke und das Rheinufer gelb – die Farbe für Touristen.
Andere Bereiche der Stadt sind hingegen lila eingefärbt, was auf eine hohe Dichte an Einheimischen und Pendlern hindeutet. Dazu gehören beliebte Stadtteile wie Ehrenfeld, das Belgische Viertel oder die Gegend um den Chlodwigplatz in der Südstadt.
Die „touristische Blase“
Julian Reif, Tourismusforscher und stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Tourismusforschung, erklärt dieses Phänomen. „Im Städtetourismus gibt es die Tendenz, dass Touristen sich in einer touristischen Blase aufhalten – und die liegt in der Regel im Innenstadtbereich.“ Was in Köln der Dom ist, seien in Berlin das Brandenburger Tor oder in München das Hofbräuhaus.
Diese Konzentration hat zur Folge, dass viele Besucher nur einen kleinen, stark kommerzialisierten Ausschnitt der Stadt kennenlernen. Christoph Schmidt, der seit 45 Jahren in Köln lebt, meidet die Altstadt genau aus diesem Grund. „Zu viele Touris, irgendwie wirkt es nicht echt. Wie eine Märchen-Altstadt“, sagt er. Er hält sich lieber in Ehrenfeld auf, hilft aber gerne Besuchern, die sich verlaufen haben.
Köln in Zahlen
Im Jahr 2024 verzeichnete die Stadt 4,2 Millionen Gäste und rund 7,1 Millionen Übernachtungen. Dies stellt ein Wachstum von 24 Prozent im Vergleich zu vor zehn Jahren dar. Etwa zwei Drittel der Gäste kommen aus Deutschland, ein Drittel aus dem Ausland, vor allem aus Großbritannien, den Niederlanden und den USA.
Veedel-Leben bleibt verborgen
Die Datenanalyse zeigt, dass selbst beliebte und zentrale Viertel wie das Belgische Viertel mehrheitlich von Einheimischen frequentiert werden. Das bedeutet laut Forscher Reif jedoch nicht, dass dort keine Touristen sind. Eigene Studien hätten gezeigt, dass gerade hier viele Airbnbs zu finden sind. Die Besucher verteilen sich dort aber anders und fallen weniger auf als die großen Gruppen in der Altstadt.
Einheimische wie Alexandra Timmermann, die in Ehrenfeld lebt, meiden die klassischen Einkaufsmeilen. „Die Innenstadt finde ich fürchterlich“, sagt sie. Touristen würde sie empfehlen, Veedel wie Ehrenfeld, die Südstadt oder Kalk zu erkunden. „Hier sieht man, wie sich die Stadt entwickelt. Und an den Poller Wiesen kann man wunderbar spazieren gehen.“
Neue Wege im Tourismus
KölnTourismus, die offizielle Tourismusorganisation der Stadt, ist sich dieser Herausforderung bewusst. Man arbeite daran, den Fokus der Besucher zu erweitern. „Unser Ziel ist es, den Lebensraum Köln gleichermaßen für Einheimische und Gäste nachhaltig und attraktiv zu gestalten“, betont Geschäftsführer Jürgen Amann.
Dafür werden gezielt zwei Gruppen angesprochen:
- Dynamische, urbane Gäste: Diese interessieren sich für Street-Art-Führungen, alternative Musik-Locations und das kreative Lebensgefühl der Stadt.
- Kulturinteressierte Besucher: Sie suchen nach Ausstellungen, gehobener Gastronomie und der Authentizität der verschiedenen Stadtviertel.
Handydaten bestätigen, dass wir die von uns avisierten Zielgruppen erreichen.
Je länger ein Gast bleibt und je öfter er wiederkommt, desto größer wird auch sein Bewegungsradius. Marie-Pierre Landreat und ihr Sohn Axel aus Paris sind ein gutes Beispiel. Nach dem obligatorischen Dombesuch wollen sie mehr entdecken. „Wir wollen jetzt lieber die Architektur anschauen und die Viertel drumherum“, sagt sie. Ihr Plan: der LVR-Turm für die Aussicht und danach der Botanische Garten.
Kein „Overtourism“ in Köln
Trotz der Rekordzahlen kann in Köln noch nicht von „Overtourism“ gesprochen werden. Die Tourismusintensität, also das Verhältnis von Übernachtungen zu Einwohnern, liegt bei einem Wert von etwa sieben. Zum Vergleich: Hamburg hat einen Wert von acht, München von zwölf und Venedig von 38. Die Belastung für die städtische Infrastruktur und die Bewohner ist also noch vergleichsweise moderat.
Einheimische entdecken ihre Stadt neu
Auch für die Kölner selbst gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Philipp von Brockhausen, der in Braunsfeld lebt, stellt fest, dass sich kaum Touristen in sein Viertel verirren. „Obwohl es da schöne Dinge gibt. Der kleine Tierpark steht in keinem Reiseführer.“ Erst seit er selbst ein Kind hat, ist er wieder häufiger zum Dom gekommen.
Er und sein Freund Maik Kersken beobachten zudem eine positive Entwicklung auf der rechten Rheinseite. „Es verschiebt sich einiges. Und das ist auch gut so. Kultur, das Theater zum Beispiel am Tanzbrunnen“, sagt Kersken.
Projekte wie der „Entdecke-Köln-Tag“ oder eine geplante Hitzeschutzkarte für 2026, die kühle Orte in Kirchen und Kultureinrichtungen zeigt, richten sich bewusst an Einheimische und Gäste zugleich. Sie sollen dazu anregen, die bekannten Pfade zu verlassen und die Vielfalt Kölns jenseits der Postkartenmotive zu erleben.




