Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Köln hat ein neues spezialisiertes Angebot für Sportlerinnen und Sportler geschaffen. Die sportpsychiatrische Sprechstunde unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Theresa Lichtenstein soll eine Anlaufstelle für Amateur- und Profiathleten sein, die mit den hohen psychischen Belastungen des Leistungssports konfrontiert sind. Ziel ist es, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, zu behandeln und das Thema zu entstigmatisieren.
Wichtige Fakten
- In Köln wurde eine neue sportpsychiatrische Sprechstunde für Athleten eingerichtet.
- Das Angebot zielt auf die Früherkennung und Behandlung psychischer Belastungen im Leistungssport ab.
- Dr. Theresa Lichtenstein leitet die Initiative und fordert, mentale Gesundheit in jährliche Sport-Checkups zu integrieren.
- Die Sprechstunde soll als niedrigschwelliger Anlaufpunkt dienen und Hemmschwellen abbauen.
Der wachsende Druck im Leistungssport
Der psychische Druck im professionellen Sport ist enorm hoch. Aktuelle Beispiele von prominenten Athleten verdeutlichen die Dringlichkeit des Themas. Der Tennisprofi Alexander Zverev sprach offen über die mentalen Herausforderungen, und die Fußball-Nationalspielerin Lina Magull beschrieb nach dem Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft 2023 depressive Symptome und Panikattacken.
Diese Fälle zeigen, dass selbst an der Weltspitze die seelische Belastung oft die körperliche übersteigt. Der ständige Fokus auf Leistung, Ergebnisse und öffentliche Erwartungen kann zu einem Zustand chronischer Anspannung führen.
Identitätsfragen außerhalb des Wettkampfs
Auch die Kölner Judoka und Olympiamedaillengewinnerin Martyna Trajdos kennt die Erfahrung der Überlastung. Sie berichtet, dass ihr Leben schon in jungen Jahren vollständig von Training und Wettkämpfen bestimmt war. Dies führe zu einer tiefgreifenden persönlichen Frage.
„Alles andere bleibt dabei auf der Strecke. Irgendwann steht man da und fragt sich: Wer bin ich eigentlich außerhalb des Sports?“
Diese Aussage von Trajdos beleuchtet ein Kernproblem vieler Leistungssportler: die einseitige Fokussierung auf die sportliche Identität. Wenn diese durch Verletzungen oder das Karriereende wegbricht, kann eine schwere Krise folgen.
Hintergrund: Mentale Gesundheit im Fokus
In den letzten Jahren haben immer mehr Sportstars wie die Turnerin Simone Biles oder die Tennisspielerin Naomi Osaka öffentlich über ihre psychischen Probleme gesprochen. Ihre Offenheit hat dazu beigetragen, das Tabu zu brechen und eine breitere Diskussion über die mentalen Kosten des Spitzensports anzustoßen.
Ein neues medizinisches Angebot in Köln
Um Athletinnen und Athleten gezielt zu unterstützen, wurde die neue sportpsychiatrische Sprechstunde ins Leben gerufen. Die Leiterin, Priv.-Doz. Dr. Theresa Lichtenstein, sieht hier eine wichtige Lücke im Betreuungssystem von Sportlern.
„Im Leistungssport werden Athletinnen und Athleten regelmäßig orthopädisch und kardiologisch untersucht. Wir plädieren dafür, künftig auch die mentale Gesundheit in diese jährlichen Checkups einzubeziehen“, erklärt Dr. Lichtenstein. Ein solcher Ansatz könnte helfen, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und dem Thema mehr Normalität zu verleihen.
Die besondere Belastung junger Talente
Besonders Nachwuchssportler sind einem hohen Risiko ausgesetzt. Sie müssen oft Schule oder Ausbildung mit intensivem Training und weiten Anfahrtswegen vereinbaren. Dieser Spagat führt häufig zu einer chronischen Überforderung.
Dr. Lichtenstein erläutert die psychologische Dynamik: „Die Wettkampfpersönlichkeit wird in diesem Umfeld ideal ausgebildet – Disziplin, Durchhaltevermögen, Belastbarkeit. Doch das bedeutet auch, dass Schwächen kaum zugelassen werden.“ Anzeichen psychischer Überlastung würden daher oft lange ignoriert oder verdrängt, bis Grenzen überschritten sind.
Mentale Stärke vs. Psychische Gesundheit
Ein wichtiger Punkt, den Dr. Lichtenstein hervorhebt, ist die Unterscheidung zwischen mentaler Stärke und psychischer Gesundheit. Mentale Stärke, also die Fähigkeit, unter Druck zu bestehen, ist nicht gleichbedeutend mit psychischer Gesundheit, dem allgemeinen seelischen Wohlbefinden.
Früherkennung ist entscheidend
Ein zentrales Problem ist, dass viele Sportler trotz seelischer Probleme über einen langen Zeitraum hinweg hohe Leistungen erbringen können. Dadurch bleiben Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Suchtprobleme oft lange unentdeckt.
Die Medizinerin zieht einen klaren Vergleich zum Umgang mit körperlichen Verletzungen. „Dabei ist es wichtig, die Psyche genauso ernst zu nehmen wie körperliche Verletzungen“, betont sie.
„Niemand würde mit einem gebrochenen Oberschenkel an den Start gehen. Ebenso wenig sollte man mit einer schweren Depression um Medaillen kämpfen.“
Dieser Vergleich macht deutlich, dass psychische Erkrankungen die Leistungsfähigkeit genauso beeinträchtigen und eine professionelle Behandlung erfordern.
Ein ganzheitlicher und niedrigschwelliger Ansatz
Die neue Sprechstunde verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sie bietet nicht nur individuelle Diagnostik und Therapie, sondern dient auch als leicht zugängliche Anlaufstelle. Ziel ist es, die Hemmschwellen für Athleten zu senken, sich bei psychischen Problemen Hilfe zu suchen.
Um eine umfassende Betreuung zu gewährleisten, kooperiert Dr. Lichtenstein eng mit wichtigen Institutionen der Region. Dazu gehören:
- Die Deutsche Sporthochschule Köln
- Der Olympiastützpunkt Rheinland
- Das Max-Planck-Institut für Stoffwechselerkrankungen
Psychische Erkrankung ist kein Karriereende
Eine entscheidende Botschaft von Dr. Lichtenstein an alle betroffenen Sportler ist, dass eine psychische Erkrankung nicht das Ende der Karriere bedeuten muss. „Im Gegenteil: Nach einer erfolgreichen Behandlung bleiben häufig mehr Ressourcen für die sportlichen Ziele“, sagt sie.
Sie betont, dass viele Athleten bereits wichtige Fähigkeiten wie Resilienz und Durchsetzungsvermögen mitbringen. Diese Eigenschaften, die im Sport trainiert werden, können auch bei der Bewältigung einer psychischen Krise von großem Nutzen sein und den Sportlern außerhalb ihres Wettkampfumfelds zugutekommen.
Die neue Kölner Sprechstunde ist somit ein wichtiger Schritt, um die mentale Gesundheit als integralen Bestandteil der sportlichen Leistungsfähigkeit zu etablieren und Athleten die Unterstützung zu geben, die sie benötigen, um sowohl körperlich als auch seelisch gesund zu bleiben.




