Immer mehr deutsche Nachrichtenseiten bieten ihren Lesern eine Wahl: ein kostenpflichtiges Abonnement abschließen oder der Nutzung persönlicher Daten für Werbezwecke zustimmen. Dieses Geschäftsmodell, bekannt als „Leistung gegen Daten“, wird zur gängigen Praxis, um hochwertigen Journalismus im digitalen Zeitalter zu finanzieren.
Doch was genau bedeutet es, mit Daten zu „bezahlen“? Dieser Artikel erklärt die rechtlichen Grundlagen, die technischen Prozesse im Hintergrund und was Nutzer wissen sollten, wenn sie sich für den scheinbar kostenlosen Zugang zu Inhalten entscheiden.
Wichtige Erkenntnisse
- Das Modell „Leistung gegen Daten“ ist eine Alternative zu klassischen Abonnements, bei der Nutzer mit ihren Daten für den Zugang zu journalistischen Inhalten bezahlen.
- Die rechtliche Grundlage bildet die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), insbesondere Artikel 6, der die Verarbeitung von Daten zur Vertragserfüllung erlaubt.
- Durch das Sammeln von Nutzungsdaten können Verlage personalisierte Werbung ausspielen, was eine wichtige Einnahmequelle darstellt.
- Nutzer sollten sich der Tragweite ihrer Zustimmung bewusst sein, da oft auch Daten an Drittanbieter in Länder außerhalb der EU übermittelt werden.
Was bedeutet „Leistung gegen Daten“?
Das Prinzip „Leistung gegen Daten“ beschreibt einen Tauschhandel. Der Nutzer erhält eine Leistung – in diesem Fall den Zugang zu journalistischen Artikeln, Videos oder Podcasts – und stellt im Gegenzug dem Anbieter seine persönlichen Daten zur Verfügung. Diese Daten werden hauptsächlich für die Ausspielung von personalisierter Werbung genutzt.
Für Verlage ist dieses Modell überlebenswichtig. Die Einnahmen aus traditioneller Bannerwerbung sind in den letzten Jahren stark gesunken. Personalisierte Anzeigen, die auf den Interessen und dem Verhalten eines Nutzers basieren, sind für Werbekunden deutlich wertvoller und erzielen höhere Preise.
Die rechtliche Grundlage in der DSGVO
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten in der Europäischen Union. Das Modell „Leistung gegen Daten“ stützt sich auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der DSGVO. Dieser besagt, dass eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich ist“.
Wenn ein Nutzer dem Daten-Modell zustimmt, schließt er rechtlich gesehen einen Vertrag mit dem Medienhaus. Der Vertragsinhalt lautet: Zugang zu Inhalten gegen die Erlaubnis, Daten für Werbezwecke zu verarbeiten. Gerichte haben dieses Modell in der Vergangenheit bestätigt, solange eine faire und gleichwertige Bezahlalternative (also ein klassisches Abo) angeboten wird.
Hintergrund: Das Ende der Third-Party-Cookies
Die Branche steht vor einem Umbruch, da Browser wie Google Chrome die Unterstützung für Third-Party-Cookies einstellen. Diese Cookies waren bisher das Rückgrat der personalisierten Werbung. Verlage müssen nun neue Wege finden, um Nutzerdaten direkt (First-Party-Daten) und mit deren ausdrücklicher Zustimmung zu erheben. Das Modell „Leistung gegen Daten“ ist eine direkte Antwort auf diese technologische Veränderung.
Wie funktioniert das Tracking in der Praxis?
Sobald ein Nutzer zustimmt, beginnen im Hintergrund technische Prozesse. Websites verwenden verschiedene Technologien, um Informationen über das Verhalten der Nutzer zu sammeln. Dies geschieht nicht nur, um Werbung anzuzeigen, sondern auch, um das eigene Angebot zu verbessern.
Zu den gesammelten Daten gehören typischerweise:
- Cookies: Kleine Textdateien, die auf dem Gerät des Nutzers gespeichert werden und ihn bei einem erneuten Besuch wiedererkennen.
- Geräte-IDs: Eindeutige Kennungen von Smartphones oder Tablets, die für das Tracking in Apps verwendet werden.
- IP-Adresse: Dient zur groben geografischen Zuordnung des Nutzers.
- Browser-Informationen: Welcher Browser und welches Betriebssystem werden verwendet?
- Nutzungsverhalten: Welche Artikel werden gelesen? Wie lange verweilt der Nutzer auf einer Seite? Welche Links werden geklickt?
Diese Informationen werden oft zu einem pseudonymisierten Nutzerprofil zusammengefügt. Anhand dieses Profils können Werbenetzwerke dann Anzeigen ausspielen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Nutzer relevant sind. Ein Nutzer, der viele Artikel über Autos liest, wird wahrscheinlich Werbung von Automobilherstellern sehen.
Statistik: Die Bedeutung von personalisierter Werbung
Laut Branchenstudien erzielen personalisierte Werbeanzeigen eine um bis zu 40 % höhere Klickrate als nicht-personalisierte Anzeigen. Für Verlage bedeutet dies direkt höhere Einnahmen, die zur Finanzierung ihrer Redaktionen beitragen.
Die Rolle von Partnern und Drittanbietern
Kein Verlagshaus betreibt sein Werbegeschäft komplett allein. In der Regel arbeiten sie mit einem Netzwerk von Technologiepartnern zusammen. Diese Partner stellen die Infrastruktur zur Verfügung, um Werbeplätze in Echtzeit zu versteigern und die passenden Anzeigen auszuliefern.
Wenn ein Nutzer der Datenverarbeitung zustimmt, willigt er oft auch in die Weitergabe seiner pseudonymisierten Daten an diese Partner ein. Hier liegt ein kritischer Punkt, den viele übersehen: Diese Partner können ihren Sitz auch außerhalb der Europäischen Union haben, zum Beispiel in den USA.
„Gemäß Art. 49 Abs. 1 lit. b) DSGVO können Daten in Drittländer außerhalb der EU übermittelt werden. Dies ist notwendig, um globale Werbekampagnen auszuspielen, birgt aber auch Risiken, da in diesen Ländern möglicherweise kein gleichwertiges Datenschutzniveau wie in der EU herrscht.“
Nutzer sollten sich bewusst sein, dass ihre Daten Teil eines globalen, hochkomplexen Ökosystems werden. Die volle Kontrolle darüber, wer genau welche Daten erhält, ist für den Einzelnen kaum nachzuvollziehen.
Die Alternative: Das klassische Abonnement
Die DSGVO schreibt vor, dass die Zustimmung zur Datenverarbeitung freiwillig sein muss. Deshalb sind Verlage verpflichtet, eine echte Alternative anzubieten. Dies ist in der Regel ein kostenpflichtiges Abonnement, oft als „Pur-Abo“ oder „werbefreies Abo“ bezeichnet.
Bei einem solchen Abonnement bezahlt der Nutzer einen festen monatlichen oder jährlichen Betrag. Im Gegenzug verzichtet der Verlag auf die Sammlung von Daten für Werbezwecke. Zwar werden auch hier oft noch technisch notwendige Cookies gesetzt (z. B. für den Login), aber das umfassende Tracking des Nutzerverhaltens für Werbeprofile entfällt.
Was ist die bessere Wahl?
Die Entscheidung zwischen „Bezahlen mit Geld“ und „Bezahlen mit Daten“ ist eine persönliche. Es gibt Argumente für beide Seiten:
- Für das Daten-Modell: Es ermöglicht den Zugang zu Informationen für Menschen, die sich kein Abonnement leisten können oder wollen. Es sichert die Finanzierung von Journalismus in einem schwierigen Marktumfeld.
- Für das Abo-Modell: Es bietet maximale Privatsphäre und ein oft besseres Leseerlebnis ohne ablenkende Werbung. Nutzer behalten die Hoheit über ihre persönlichen Daten.
Letztendlich zwingt dieses Wahlmodell die Nutzer dazu, eine bewusste Entscheidung über den Wert ihrer Daten und den Wert von unabhängigem Journalismus zu treffen. Es macht transparent, dass hochwertige Inhalte nicht kostenlos erstellt werden können und immer einen Preis haben – sei er in Euro oder in Daten.




