Die Stimmung im Kölner Ford-Werk ist am Tiefpunkt. Einst einer der größten und sichersten Arbeitgeber der Region, kämpft der traditionsreiche Automobilhersteller mit den Folgen einer verfehlten Strategie, massiven Jobstreichungen und dem wachsenden Einfluss der US-Zentrale. Eine neue ARD-Dokumentation beleuchtet die Hintergründe der Krise und zeichnet ein düsteres Bild für die Zukunft des Standorts.
Das Wichtigste in Kürze
- Ford streicht bis 2027 insgesamt 5.600 Stellen an seinen deutschen Standorten, ein Großteil davon in Köln.
- Die neue Strategie, auf teure Elektro-SUVs zu setzen, scheitert bisher am Markt und entfremdet die traditionelle Kundschaft.
- Entscheidungen werden zunehmend in der US-Zentrale getroffen, was zu Frustration und einem historischen Arbeitskampf in Köln führte.
- Experten und Mitarbeiter sehen die Zukunft des Kölner Werks als stark gefährdet an, sollte keine schnelle Kehrtwende gelingen.
Ein Strategiewechsel mit fatalen Folgen
Noch vor wenigen Jahren galt ein Job bei Ford in Köln als Lebensstellung. Über Jahrzehnte liefen hier Verkaufsschlager wie der Ford Fiesta vom Band. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Konzernleitung in den USA verordnete einen radikalen Kurswechsel: weg vom erschwinglichen Kleinwagen, hin zu hochpreisigen Elektro-SUVs mit amerikanischem Flair.
Im Jahr 2023 investierte das Unternehmen fast zwei Milliarden Dollar, um das Kölner Werk zu einem Zentrum für Elektromobilität umzubauen. Die neuen Modelle, der Explorer und der Capri, sollten eine neue, kaufkräftigere Zielgruppe ansprechen. Doch der Plan ging nicht auf.
Preisschock für Stammkunden
Die neuen E-Modelle kosten zwischen 40.000 und 65.000 Euro. Damit liegen sie weit über dem, was die klassische Ford-Kundschaft zu zahlen bereit ist. In den günstigeren Preissegmenten, in denen Ford einst Marktführer war, hat das Unternehmen nun kein Angebot mehr.
Die Verkaufszahlen bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Experten wie Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sehen die Ursache klar im Strategiefehler: Die Fahrzeuge seien schlicht zu teuer für die Marke Ford.
Widerstand aus der Belegschaft
Die Unzufriedenheit im Werk ist groß. Benjamin Gruschka, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Ford, findet deutliche Worte für die Neuausrichtung.
„Wir sind Massenhersteller gewesen, und das war auch lange Zeit der richtige Weg. [...] Man wird nicht von Ford mal eben zum Porsche oder zum Bentley, das geht einfach nicht. Ich finde, man sollte die Finger von Dingen weglassen, die man nicht kann.“
Diese Kritik spiegelt die Meinung vieler Mitarbeiter wider, die sich von der Konzernzentrale in den USA übergangen fühlen. Die Entwicklungsverantwortung wurde zunehmend nach Amerika verlagert und acht von zehn deutschen Managerstellen gestrichen. Die Devise scheint „America first“ zu lauten, was am Standort Köln für große Verunsicherung sorgt.
Der wachsende Druck aus den USA, die Verluste des Kölner Werks nicht länger tragen zu wollen, führte im März 2025 zum ersten offiziellen Arbeitskampf in der über 100-jährigen Geschichte des Unternehmens in Deutschland. Die Belegschaft wehrte sich gegen die Pläne und erstritt zumindest eine Vereinbarung über hohe Abfindungen im Falle einer Insolvenz.
Die menschliche Seite der Krise
Hinter den nackten Zahlen stehen Tausende von Schicksalen. Eines davon ist das von Spiros D., einem langjährigen Mitarbeiter, der seine Geschichte in der ARD-Dokumentation „Ausgebremst: Wie Ford unter die Räder kommt“ teilt. Als er 2009 bei Ford anfing, war er überzeugt, einen sicheren Arbeitsplatz bis zur Rente gefunden zu haben.
Er arbeitete sich zum Vorarbeiter im Motorenwerk hoch, einer Abteilung mit stolzer Geschichte: Seit 1962 wurden hier über 28 Millionen Verbrennungsmotoren gefertigt. Doch mit dem Schwenk zur Elektromobilität wurde das Werk geschlossen. Spiros D. fand sich als Staplerfahrer in der neuen Batteriemontage wieder – ein beruflicher Abstieg.
Vom Herzstück zum Sorgenkind
Die Fahrzeugfertigung in Köln galt lange als das Herzstück des Standorts. Doch ab Januar 2026 soll die Produktion auf die Hälfte der ursprünglich geplanten Stückzahlen reduziert werden. Dieser Schritt geht mit weiteren Stellenstreichungen einher und verstärkt die Zukunftsängste der verbliebenen Mitarbeiter.
„Keiner erwartet mehr eine große Zukunft, die Stimmung ist schlecht. Viele warten auf das Abfindungsprogramm, weil sie das sinkende Schiff verlassen möchten“, beschreibt Spiros D. die desolate Atmosphäre. Seine größte Sorge: Wenn selbst die Fahrzeugfertigung als Kernbereich betroffen ist, kann es jeden treffen. „Auch mich“, sagt er mit zittriger Stimme.
Ein düsterer Ausblick für Köln
Die finanzielle Lage ist prekär. Allein zwischen 2021 und 2023 fuhr Ford einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro ein. Die neuen Elektromodelle kommen nicht an, und die Entwicklung eines neuen, marktfähigen Fahrzeugs dauert drei bis vier Jahre – Zeit, die Ford möglicherweise nicht hat.
Automobilexperte Stefan Bratzel wagt eine ernüchternde Prognose:
„Ich glaube, die Zukunft von Ford in Köln ist düster, wenn nicht neue Produkte in absehbarer Zeit eingeführt werden. Gelingt das nicht, ist das ein Sterben auf Raten und man muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass wir in fünf bis zehn Jahren Ford in Köln nicht mehr als Arbeitgeber haben.“
Für die Stadt Köln und Tausende von Familien hängt viel von der Zukunft des Werks ab. Die Hoffnung schwindet, dass der amerikanische Autoriese das Ruder noch einmal herumreißen kann.




