Das Bistum Münster hat eine weitreichende Umstrukturierung für seine 664 katholischen Kindertageseinrichtungen angekündigt. Aufgrund finanzieller Engpässe sollen die Kitas, die bisher von den einzelnen Kirchengemeinden getragen werden, bis August 2027 in neue, größere Gesellschaften überführt werden. Diese Maßnahme betrifft auch zwölf Einrichtungen in der Stadt Wesel und insgesamt 84 Kitas im gesamten Kreisgebiet.
Das Wichtigste in Kürze
- Großflächige Umstrukturierung: 664 katholische Kitas im Bistum Münster wechseln bis August 2027 den Träger.
- Neue Rechtsform: Es werden drei gemeinnützige GmbHs (gGmbHs) gegründet, eine davon für die Kreise Wesel und Kleve.
- Finanzielle Gründe: Das Bistum nennt eine strukturelle Unterfinanzierung durch das Land als Hauptgrund für den Schritt.
- Keine Entlassungen geplant: Die Arbeitsverträge der rund 11.500 Mitarbeitenden sollen mit allen Rechten und Pflichten übernommen werden.
Ein notwendiger Schritt zur Sicherung der Zukunft
Die Entscheidung des Bistums Münster, die Trägerschaft seiner Kindertagesstätten neu zu organisieren, ist eine direkte Reaktion auf veränderte finanzielle Rahmenbedingungen. Die Bistumsleitung sieht in der aktuellen Struktur eine Gefahr für den Fortbestand der Einrichtungen. Die Gründung von drei regionalen, gemeinnützigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (gGmbHs) soll die Verwaltung professionalisieren und die einzelnen Kirchengemeinden entlasten.
Die geplante Aufteilung sieht eine gGmbH für den Niederrhein vor, welche die Kreise Kleve und Wesel umfasst. Eine zweite Gesellschaft wird für die Kreise Borken, Coesfeld und Recklinghausen zuständig sein, während die dritte die Stadt Münster sowie die Kreise Steinfurt und Warendorf abdeckt. Ziel ist es, die Kitas zukunftsfähig aufzustellen und ihre Rolle als wichtige Orte kirchlichen Lebens zu sichern.
Finanzdruck durch Landesgesetzgebung
Als Hauptursache für die notwendige Reform nennt das Bistum das nordrhein-westfälische Kinderbildungsgesetz (KiBiz). Laut Dr. Antonius Hamers, der das Bistum als Diözesanadministrator leitet, führt das Gesetz zu einer „strukturellen Unterfinanzierung“ der Kindertageseinrichtungen. Ohne eine grundlegende Änderung der Trägerstruktur wäre der Betrieb der katholischen Kitas langfristig nicht mehr gesichert.
„Würden wir keinen Trägerwechsel vornehmen, wären die katholischen Kindertageseinrichtungen in unserem Bistum insgesamt gefährdet.“
Hamers betont, dass es darum gehe, die Kitas als „Lebensorte des Glaubens“ zu erhalten. Er sieht sie als wichtige Kontaktpunkte, durch die nicht nur Kinder, sondern auch deren Eltern und Familien ein christliches Werteverständnis erfahren können. Die Umstrukturierung soll die Pfarreien von Verwaltungsaufgaben entbinden, während die enge inhaltliche Bindung an die Einrichtungen bestehen bleiben soll.
Das Bistum Münster in Zahlen
- Haushaltsdefizit 2026 (prognostiziert): 19 Millionen Euro
- Geplante Ausgaben: 785 Millionen Euro
- Erwartete Erträge: 766,1 Millionen Euro
- Mitarbeitende in Kitas: ca. 10.670 pädagogische und 840 hauswirtschaftliche Kräfte
- Kita-Budget (kommendes Jahr): 39,5 Millionen Euro
Auswirkungen auf Personal und Standorte in Wesel
Für die Mitarbeitenden in den betroffenen Einrichtungen soll sich durch den Trägerwechsel wenig ändern. Das Bistum hat zugesichert, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Alle Angestellten sollen im Rahmen eines gesetzlich geregelten Betriebsübergangs nach § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in die neuen gGmbHs übernommen werden.
Diese sogenannte Besitzstandswahrung garantiert, dass alle bisherigen Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen unberührt bleiben. Das Gehalt, das sich nach der Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) richtet, bleibt ebenso erhalten wie die Mitarbeitervertretung nach der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO).
Im Kreis Wesel sind von dieser Maßnahme 84 Kindertagesstätten mit rund 1.000 Erzieherinnen und Erziehern betroffen. Allein im Stadtgebiet von Wesel handelt es sich um zwölf katholische Einrichtungen, die zukünftig unter dem Dach der neuen gGmbH für den Niederrhein geführt werden sollen.
Was ist eine gGmbH?
Eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) ist eine Sonderform der GmbH. Ihr Zweck ist nicht die Erwirtschaftung von Profit für Gesellschafter, sondern die Verfolgung von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zielen. Eventuelle Gewinne müssen vollständig für den in der Satzung festgelegten Zweck wiederverwendet werden.
Der Weg zur neuen Struktur
Die Umsetzung des Plans erfordert die Zustimmung der einzelnen Kirchengemeinden, die aktuell noch die Träger der Kitas sind. Jede Pfarrei muss dem Wechsel und der Beteiligung an der neuen gGmbH zustimmen. Sollte sich eine Gemeinde gegen diesen Schritt entscheiden, hat das Bistum Konsequenzen angekündigt: Nach einer Übergangsfrist würden die finanzielle Unterstützung und die administrativen Dienstleistungen seitens der Bistumsverwaltung für diese Kita enden.
Um die Verantwortlichen vor Ort umfassend zu informieren, sind in den kommenden Monaten zahlreiche Gespräche und Veranstaltungen geplant. Für die Region Niederrhein ist ein Informationstreffen am Mittwoch, den 19. November, von 18:00 bis 20:30 Uhr vorgesehen. Der genaue Veranstaltungsort wird noch bekannt gegeben.
Externe Beratung unterstützt den Prozess
Für die Begleitung dieses komplexen Übergangs hat das Bistum Münster die externen Berater Jutta Loke und Günter Eilers engagiert. Sie sehen in der Gründung der gGmbHs mehrere Vorteile:
- Entlastung des Ehrenamts: Die Kirchengemeinden werden von komplexen Verwaltungsaufgaben befreit.
- Sicherung der Professionalität: Eine zentrale Trägerschaft bündelt Kompetenzen und sichert professionelle Standards.
- Mehr Flexibilität: Größere Einheiten können schneller auf politische und gesellschaftliche Veränderungen reagieren.
- Zukunftsfähige Steuerung: Die Struktur ermöglicht eine nachhaltige Planung und Steuerung der Einrichtungen.
Laut den Beratern bleibt die Verantwortung der Kirchengemeinden als Gesellschafter der gGmbHs erhalten. Sie können weiterhin die Entwicklung „ihrer“ Kita mitgestalten, während die übergeordnete Struktur die betriebswirtschaftliche und administrative Führung übernimmt.




