Der schwedische Bestsellerautor Arne Dahl war zu Gast bei der „Crime Cologne“, um seinen neuen Roman „Kaltes Fieber“ vorzustellen. Im Gespräch gab er Einblicke in die Entstehung seiner neuen Krimireihe, die Herausforderungen des Buchmarktes und die Gründe, warum er unter einem Pseudonym schreibt.
Jan Arnald, der Mann hinter dem Namen Arne Dahl, sprach offen über seine literarischen Anfänge, die Entwicklung seiner Charaktere und seine kritische Sicht auf die aktuelle Flut von Kriminalromanen aus Skandinavien.
Wichtige Erkenntnisse
- Arne Dahl enthüllt, dass sein Pseudonym aus einer Schreibblockade entstand.
- Seine neue „Nova“-Reihe kombiniert komplexe Team-Dynamiken mit psychologischer Tiefe.
- Der Autor sieht den Boom des Skandinavien-Krimis als beendet an.
- Hörbücher beeinflussen laut Dahl die literarische Qualität neuer Krimis negativ.
- Die Idee zu „Kaltes Fieber“ entstand aus einer Vision einer Zeus-Statue in Stockholm.
Die zwei Identitäten des Jan Arnald
Viele kennen den Namen Arne Dahl, doch nur wenige wissen, dass dahinter der Literaturwissenschaftler und Autor Jan Arnald steckt. In Köln erklärte er, wie es zu dieser Trennung kam. „Bis zu meinem 35. Lebensjahr habe ich versucht, anspruchsvolle Literatur zu schreiben“, so Arnald. Doch der Druck und hohe Ambitionen führten zu einer Schreibblockade.
Um sich selbst eine zweite Chance zu geben, erfand er eine neue Identität. „Arne Dahl existiert eigentlich nur beim Schreiben und auf der Bühne“, erklärte er mit einem Lächeln. Diese neue Persona gab ihm die Freiheit, ein anderes Genre zu erkunden und sich von den Erwartungen zu lösen, die er an sich selbst als Jan Arnald hatte. Das Experiment war erfolgreich und legte den Grundstein für eine internationale Karriere.
Ein Ventil für kreative Freiheit
Die Erschaffung von Arne Dahl war mehr als nur ein Marketing-Trick. Es war ein psychologischer Kniff, um die eigene Kreativität wiederzufinden. Arnald beschreibt es als eine Möglichkeit, ohne den Ballast seiner bisherigen literarischen Versuche neu anzufangen. Diese Trennung ermöglichte ihm, das Krimi-Genre mit frischem Blick und handwerklichem Geschick anzugehen, was sich in der Komplexität seiner Geschichten widerspiegelt.
Von kollektiven Ermittlungen zur psychologischen Tiefe
Mit „Kaltes Fieber“ legt Dahl den zweiten Band seiner vierten Krimireihe vor. Seine literarische Reise zeigt eine stetige Weiterentwicklung. „In den ersten beiden Reihen hatte ich diese Kollektiverzählungen: viele Personen, viele Perspektiven, viele Fäden“, beschreibt er seinen früheren Stil. Diese Bücher erforderten intensive Recherche und schufen ein breites Netz von Handlungssträngen.
Mit der darauffolgenden „Berger/Blom“-Reihe änderte er seinen Ansatz radikal. „Ich wollte das ein wenig zurücknehmen, weniger Menschen, alles enger, dichter, psychologischer.“ Diese Serie konzentrierte sich stärker auf die inneren Konflikte der Hauptfiguren. Nach fünf Bänden war die Geschichte jedoch auserzählt, wie Dahl erklärt: „Die beiden Hauptpersonen waren plötzlich glücklich.“
Die „Nova“-Reihe: Eine Synthese
Die aktuelle Reihe um die Ermittlerin Eva Nyman und ihre „Nova“-Einheit versucht nun, beide Ansätze zu verbinden. Sie vereint die Vielschichtigkeit eines großen Ermittlerteams mit der psychologischen Tiefe, die seine späteren Werke auszeichnet. Dahl vermeidet es bewusst, eine Serie endlos fortzusetzen, um kreativ flexibel zu bleiben.
Ich wusste immer, dass ich nicht mein Leben lang dieselbe Reihe schreiben will. Ich muss immer zu einem Ende kommen. Nicht unbedingt die Figuren töten, aber sie auf jeden Fall ruhen zu lassen.
Ein Team voller Brüche
Die Mitglieder des „Nova“-Teams sind bewusst als komplexe und gebrochene Charaktere angelegt. Sie repräsentieren aktuelle gesellschaftliche Probleme wie psychische Gesundheit, Einsamkeit, Alkoholmissbrauch und Identitätsfragen. „Früher hatte ich diese idealisierte Kollektiv- und Teamidee“, sagt Dahl. „Bei ‚Nova‘ haben alle ein bisschen mehr gelebt und mehr Schwierigkeiten gehabt.“ Die Leiterin Eva Nyman kennt die Schwächen ihrer Teammitglieder und setzt sie gezielt für ihre Ermittlungen ein.
Die Geburt von „Kaltes Fieber“
Die Handlung von „Kaltes Fieber“ ist spektakulär: Ein Serienmörder stellt seine Opfer in Nachbauten der Sieben Weltwunder zur Schau. Die Inspiration dafür kam Dahl auf ungewöhnliche Weise. „Es begann eigentlich mit einer Vision: Ich habe diese weiße Statue des Zeus vor mir gesehen, auf Skinnarviksberget in Södermalm, wo ich in Stockholm wohne.“
Diese Vision kombinierte er mit einer älteren Faszination für eine Röntgenaufnahme einer Buddha-Statue, in der die Überreste eines Mönchs entdeckt wurden. Daraus entwickelte er das Bild einer scheinbar marmornen Statue, die sich im Regen auflöst und eine Leiche freigibt. Obwohl er ursprünglich keine Zahlensymbolik verwenden wollte, führten diese Ideen schließlich zur Thematik der Sieben Weltwunder.
Die Reihe ist jedoch nicht auf Serienmorde festgelegt. Der erste Band behandelte bereits terroristische Anschläge, und der geplante dritte Band wird sich laut Dahl eher in Richtung Spionage-Thriller bewegen. Das Genre des Serienmörders biete jedoch einzigartige erzählerische Möglichkeiten, da es die Vergangenheit (Wer war der Täter?) mit einer Bedrohung für die Zukunft verbinde.
Der skandinavische Krimi nach dem Boom
Arne Dahl gehört zu den Autoren, die den weltweiten Erfolg des Schwedenkrimis maßgeblich mitgeprägt haben. Heute sieht er die Lage jedoch kritisch. „Der große Skandinavien-Krimi-Boom ist vorbei“, stellt er fest. „Wir sind nur ein paar, die überlebt haben.“ Für neue schwedische Autoren sei es heute deutlich schwieriger, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen.
Krimi-Inflation in Schweden
Die Zahlen belegen eine Übersättigung des Marktes. Laut Dahl erscheinen in Schweden jährlich rund 500 neue Kriminalromane. Zum Vergleich: Im benachbarten Norwegen sind es nur etwa 60. Diese „Krimi-Inflation“ führt zu einem Qualitätsverlust, da viele etablierte Autoren anderer Genres glauben, schnell einen Krimi schreiben zu können, dabei aber das erforderliche Handwerk unterschätzen.
Die Herausforderung durch Hörbücher
Ein weiteres Problem sieht Dahl im wachsenden Hörbuchmarkt. Bereits vor fünf Jahren warnte er davor, dass Verlage zunehmend auf „Easy Listening“ setzen – also auf leicht konsumierbare Inhalte. „Und das Problem ist noch größer geworden“, betont er. „Viele Autoren schreiben direkt für Hörbücher.“
Dieser Trend führe zu neuen, vereinfachten Schreibregeln:
- Eine überschaubare Anzahl an Personen.
- Klare Zuordnung von Gut und Böse.
- Vermeidung komplexer Handlungsstränge.
Diese Entwicklung bedroht seiner Meinung nach die literarische Vielfalt und Tiefe des Genres. Es entstehe eine Art „Direct-to-Audio“-Literatur, die auf Komplexität verzichtet, um ein breiteres Publikum anzusprechen, das nebenbei zuhört.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt Arne Dahl ein Meister seines Fachs, der die Grenzen des Kriminalromans immer wieder neu auslotet. Sein Besuch in Köln zeigte einen Autor, der nicht nur fesselnde Geschichten erzählt, sondern auch die Entwicklung seines Genres wachsam und kritisch reflektiert.




