Wenn der Hals kratzt und die Nase läuft, ist an Arbeit oft nicht zu denken. Doch eine Krankmeldung beim Arbeitgeber wirft bei vielen Arbeitnehmern Fragen auf. Was muss ich mitteilen, ab wann brauche ich ein Attest und darf ich trotz Krankschreibung das Haus verlassen? Die rechtlichen Vorgaben sind klar, doch nicht jeder kennt sie.
Dieser Artikel fasst die wichtigsten Regeln des deutschen Arbeitsrechts zusammen und erklärt, welche Pflichten Arbeitnehmer haben und welche Rechte ihnen zustehen, wenn sie krankheitsbedingt ausfallen. Falsches Verhalten kann zu einer Abmahnung oder sogar zur Kündigung führen.
Das Wichtigste in Kürze
- Sofortige Meldung: Die Krankmeldung muss unverzüglich, also in der Regel vor Arbeitsbeginn, erfolgen.
- Ärztliches Attest: Gesetzlich ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) erst ab dem vierten Krankheitstag erforderlich, der Arbeitgeber kann sie aber schon am ersten Tag verlangen.
- Keine Diagnose-Pflicht: Sie müssen Ihrem Arbeitgeber nicht mitteilen, an welcher Krankheit Sie leiden.
- Erlaubte Aktivitäten: Alles, was die Genesung nicht gefährdet, ist erlaubt. Ein Spaziergang bei einer Erkältung ist meist unproblematisch, ein Partybesuch hingegen nicht.
- Elektronische AU (eAU): Die Krankmeldung wird von der Arztpraxis digital an die Krankenkasse übermittelt. Der Arbeitgeber ruft die Daten dort ab. Die Pflicht zur sofortigen Information des Arbeitgebers bleibt bestehen.
Die richtige Krankmeldung: Wann und wie?
Die erste und wichtigste Pflicht eines erkrankten Arbeitnehmers ist die unverzügliche Information des Arbeitgebers. Das Arbeitsrecht fordert eine Meldung „ohne schuldhaftes Zögern“. Das bedeutet, dass Sie sich melden müssen, sobald Sie wissen, dass Sie nicht zur Arbeit kommen können.
„Die Meldung muss deshalb im Regelfall vor Beginn der Arbeitszeit erfolgen“, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht. So hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den Arbeitsablauf entsprechend zu planen und für Ersatz zu sorgen.
Was bedeutet „unverzüglich“?
Der Begriff „unverzüglich“ bedeutet, dass die Meldung so schnell wie möglich erfolgen muss. Wenn Sie beispielsweise am Donnerstagabend stürzen und wissen, dass Sie am Freitag nicht arbeiten können, müssen Sie Ihren Arbeitgeber bereits am Donnerstagabend oder spätestens am Freitagmorgen vor Arbeitsbeginn informieren.
Der richtige Kommunikationsweg
Der Arbeitgeber kann festlegen, auf welchem Weg die Krankmeldung zu erfolgen hat. Wenn im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung ein Anruf bei einem bestimmten Vorgesetzten verlangt wird, müssen sich Arbeitnehmer daran halten.
Gibt es keine spezifische Regelung, können Sie den Weg frei wählen – ob per Telefon, E-Mail oder über ein internes System. Wichtig ist nur, dass die Information den richtigen Ansprechpartner rechtzeitig erreicht.
Das ärztliche Attest: Wann ist es nötig?
Viele Arbeitnehmer sind unsicher, ab wann sie eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), umgangssprachlich „gelber Schein“ genannt, vorlegen müssen. Das Gesetz gibt hier eine klare Frist vor.
Die Drei-Tage-Regel und ihre Ausnahmen
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ist eine AU erst dann erforderlich, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert. Das Attest muss dem Arbeitgeber also spätestens am vierten Tag vorliegen. Wer nur ein oder zwei Tage ausfällt, benötigt gesetzlich keine ärztliche Bescheinigung.
Allerdings hat der Arbeitgeber das Recht, diese Regel zu verschärfen. Er kann von seinen Mitarbeitern verlangen, bereits am ersten Tag der Krankheit ein Attest vorzulegen. Eine solche Anweisung ist rechtlich zulässig und muss befolgt werden.
Wissenswert: Die elektronische AU (eAU)
Seit dem 1. Januar 2023 ist das Verfahren digitalisiert. Arztpraxen übermitteln die AU-Daten elektronisch direkt an die Krankenkassen. Arbeitgeber müssen diese Daten dann selbstständig bei der Krankenkasse des Mitarbeiters abrufen. Für Arbeitnehmer entfällt damit die Pflicht, eine Papierbescheinigung einzureichen. Wichtig: Die Pflicht, den Arbeitgeber unverzüglich persönlich über die Krankheit zu informieren, bleibt davon unberührt. Für Privatversicherte gilt weiterhin die Papierform.
Vorsicht bei Online-Krankschreibungen
Immer mehr Anbieter ermöglichen eine Krankschreibung per App oder Webseite. Während telemedizinische Angebote in begrenztem Rahmen zulässig sind, warnen Experten vor unseriösen Diensten. Prof. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, weist darauf hin, dass bei manchen Anbietern eine AU nach der Beantwortung weniger Multiple-Choice-Fragen generiert wird, ohne dass eine ärztliche Untersuchung stattfindet.
„Derartigen Bescheinigungen komme kein Beweiswert zu. Arbeitnehmern ist von deren Nutzung dringend abzuraten“, so Fuhlrott. Im schlimmsten Fall kann dies als Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit gewertet werden.
Verhalten während der Krankheit: Was ist erlaubt?
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass kranke Arbeitnehmer das Haus nicht verlassen dürfen. Das ist falsch. Grundsätzlich sind alle Aktivitäten erlaubt, die der Genesung nicht schaden.
- Einkäufe und Spaziergänge: Der Gang zum Supermarkt oder ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft sind bei einer Erkältung in der Regel unproblematisch und können die Heilung sogar fördern.
- Café- oder Kinobesuche: Je nach Art der Erkrankung können auch solche Aktivitäten erlaubt sein, solange sie den Heilungsprozess nicht verzögern.
- Sport: Bei einer Grippe oder einer schweren Infektion ist Sport tabu. Bei psychischen Erkrankungen wie einem Burn-out kann moderate Bewegung hingegen Teil der Therapie sein.
Entscheidend ist immer die Art der Krankheit. Im Zweifel sollte man ärztlichen Rat einholen, welche Aktivitäten förderlich sind und welche nicht. Wer mit einer schweren Bronchitis im Club feiert und dabei gesehen wird, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit ist kein Kavaliersdelikt
Das Vortäuschen einer Krankheit kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Der Beweiswert einer AU kann ebenfalls erschüttert werden, etwa wenn sich ein Mitarbeiter passgenau nach Erhalt einer Kündigung krankschreiben lässt. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern, bis die Krankheit zweifelsfrei nachgewiesen ist.
Sonderfälle und rechtliche Folgen
Neben den Grundlagen gibt es spezielle Situationen, in denen besondere Regeln gelten. Dazu gehören längere Krankheiten, Erkrankungen im Urlaub oder die Konsequenzen bei Fehlverhalten.
Längere Krankheit und Krankengeld
Ein Arbeitgeber ist verpflichtet, im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung zu leisten. Dauert die gleiche Erkrankung länger an, endet diese Pflicht. Anschließend springt die gesetzliche Krankenkasse ein und zahlt Krankengeld.
Krankengeld im Überblick
- Dauer: Nach 6 Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber.
- Höhe: Das Krankengeld beträgt in der Regel 70 % des Bruttogehalts, jedoch nicht mehr als 90 % des Nettogehalts.
- Meldepflicht: Auch während des Krankengeldbezugs müssen Folgebescheinigungen pünktlich eingereicht werden.
Krank im Urlaub oder im Ausland
Wer im Urlaub krank wird, verliert seine Urlaubstage nicht. Voraussetzung ist, dass man sich unverzüglich beim Arbeitgeber krankmeldet und ein ärztliches Attest vorlegt. Die Krankheitstage werden dem Urlaubskonto dann wieder gutgeschrieben.
Auch eine im Ausland ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird anerkannt, sofern sie den deutschen Standards entspricht. Sie muss also klar zwischen einer „Krankheit“ und einer „Arbeitsunfähigkeit“ unterscheiden. Zusätzlich muss der Arbeitgeber über die Auslandsanschrift informiert werden.
Folgen bei verspäteter oder fehlender Meldung
Wer seine Krankheit nicht oder zu spät meldet, verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies kann der Arbeitgeber mit einer Abmahnung ahnden. Bei wiederholtem oder besonders schwerwiegendem Fehlverhalten droht sogar eine Kündigung.




