Die Stadt Essen hat eine neue Regelung für Fahrdienste wie Uber und Bolt beschlossen. Ab dem 1. Januar 2026 dürfen die Preise für kurzfristig gebuchte Fahrten nur noch maximal sieben Prozent unter dem offiziellen Taxitarif liegen. Mit dieser Maßnahme will die Stadtverwaltung das lokale Taxigewerbe vor einem als ruinös empfundenen Preiswettbewerb schützen. Die betroffenen Mietwagenunternehmen kündigten bereits rechtliche Schritte an.
Die wichtigsten Punkte
- Neue Preisuntergrenze: Ab dem 1. Januar dürfen spontane Fahrten mit Diensten wie Uber in Essen nicht mehr als 7 % günstiger sein als eine vergleichbare Taxifahrt.
- Schutz für Taxis: Die Stadt begründet den Schritt mit dem Schutz des öffentlichen Personennahverkehrs, zu dem das Taxigewerbe zählt.
- Ausnahme für Vorbuchungen: Fahrten, die mehr als eine Stunde im Voraus gebucht werden, sind von der neuen Regelung nicht betroffen.
- Widerstand der Branche: Der Bundesverband der Mietwagenfahrer hat angekündigt, dass Mitgliedsunternehmen gegen die Verordnung klagen werden.
Ein harter Schnitt für den Fahrdienstmarkt
Der Stadtrat von Essen hat mit einer deutlichen Mehrheit für die Einführung von Mindestpreisen für Mietwagenfahrten gestimmt, die über Apps wie Uber oder Bolt vermittelt werden. Diese Entscheidung ist eine direkte Reaktion auf den intensiven Wettbewerb, der in vielen deutschen Städten zwischen traditionellen Taxis und den neuen Fahrdienstanbietern herrscht. Essen ist damit die erste Stadt in Nordrhein-Westfalen, die einen solchen regulatorischen Schritt unternimmt.
Die neue Regelung zielt speziell auf spontan gebuchte Fahrten ab. Hier darf der Preisunterschied zum regulären Taxitarif künftig nur noch geringfügig sein. Längerfristig geplante Fahrten, die mit einem Vorlauf von über einer Stunde bestellt werden, fallen nicht unter diese Beschränkung, da sie rechtlich anders bewertet werden.
Hintergrund: Taxi vs. Mietwagen
Das Personenbeförderungsgesetz unterscheidet klar zwischen Taxis und Mietwagen. Taxis sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs, unterliegen einer Tarifpflicht und müssen grundsätzlich jede Fahrt annehmen (Beförderungspflicht). Mietwagen wie die von Uber-Partnern dürfen Fahrten nur am Betriebssitz annehmen und müssen nach jeder Fahrt dorthin zurückkehren (Rückkehrpflicht), zudem haben sie keine Tarifbindung.
Warum die Stadt Essen eingreift
Die Verwaltung begründet die Maßnahme mit der Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Verkehrssystems zu sichern. In der Ratsvorlage wird argumentiert, dass die Kampfpreise der App-Anbieter eine existenzielle Bedrohung für das Taxigewerbe darstellen. In der Vergangenheit waren Fahrten mit Uber oder Bolt oft 30 bis 40 Prozent günstiger als eine vergleichbare Taxifahrt.
Diese erheblichen Preisunterschiede führten laut Stadtverwaltung bereits zu spürbaren Konsequenzen. Taxiunternehmen verzeichneten erhebliche Umsatzeinbußen, und einige Konzessionen wurden bereits zurückgegeben. "Durch einen unreglementierten Mietwagenverkehr droht eine Schädigung des öffentlichen Verkehrssystems", heißt es in dem Dokument der Stadt.
Studie kritisiert Geschäftsmodell der Fahrdienste
Zur Untermauerung ihrer Entscheidung verweist die Stadt auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die niedrigen Fahrpreise oft nur durch die Nichteinhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Pflichten seitens der Mietwagenunternehmer möglich seien.
"Bei den von Uber gebotenen Fahrpreisen und unter Berücksichtigung einer Provision in Höhe von 25 Prozent für die Fahrtenvermittlung ist die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben kaum möglich", zitiert die Stadtverwaltung aus den Ergebnissen der Untersuchung.
Die Studie legt nahe, dass der Kostendruck, der durch die niedrigen Endkundenpreise und die hohen Provisionen für die Vermittlungsplattformen entsteht, häufig zu Lasten der Fahrer und der Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards geht.
Ein bundesweites Novum in NRW
Während der Konflikt zwischen Taxis und Fahrdiensten viele Städte betrifft, geht Essen einen besonderen Weg. Nach Angaben des Bundesverbands der Mietwagenfahrer "Wirfahren" ist Essen die erste Kommune in NRW, die Mindestpreise vorschreibt. Bundesweit gibt es ein ähnliches Modell bisher nur in der Stadt Heidelberg.
Fahrdienst-Branche kündigt Klagen an
Die Anbieter von Mietwagenfahrten wollen die neue Regelung nicht akzeptieren. Der Branchenverband "Wirfahren" hat bereits angekündigt, dass mehrere seiner Mitgliedsunternehmen gerichtlich gegen die Entscheidung der Stadt Essen vorgehen werden. Die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen ist groß.
Ein Sprecher des Verbandes erklärte, dass die Vorgabe für viele Unternehmen existenzbedrohend sei. "Das System beruht darauf, dass man die Preise flexibel kalkulieren kann", betonte er. Die starre Preisgrenze von maximal sieben Prozent unter dem Taxitarif würde das Geschäftsmodell im Kern treffen und die Wettbewerbsfähigkeit stark einschränken.
Die betroffenen Unternehmen bereiten sich nun auf eine juristische Auseinandersetzung vor. Sie sehen in der Essener Regelung einen unzulässigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und den freien Wettbewerb. Der Ausgang dieser Verfahren könnte Signalwirkung für andere Städte in Deutschland haben, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Die Zukunft des Personenverkehrs in der Stadt
Die Entscheidung in Essen markiert einen wichtigen Punkt in der Debatte um die Regulierung digitaler Mobilitätsdienste. Während Befürworter die Maßnahme als notwendigen Schritt zum Schutz fairer Arbeitsbedingungen und zur Sicherung eines verlässlichen öffentlichen Verkehrs sehen, kritisieren Gegner sie als protektionistisch und innovationsfeindlich.
Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich die neue Preisgrenze auf den Markt in Essen auswirkt. Es bleibt abzuwarten, ob die Fahrtenvermittler ihre Dienste unter den neuen Bedingungen weiter anbieten und wie die Gerichte über die angekündigten Klagen entscheiden werden. Der Fall Essen wird bundesweit genau beobachtet werden.




