Die Regierung der Vereinigten Staaten prüft eine mögliche Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine. Diese Überlegungen haben in Moskau zu einer Welle von scharfen Reaktionen geführt, die von diplomatischen Warnungen bis hin zu Drohungen einer militärischen Eskalation reichen. Die Diskussion um das Waffensystem offenbart die strategische Nervosität im Kreml.
Während offizielle Stellen in Russland von einer „angemessenen“ Antwort sprechen, warnen Politiker und staatsnahe Medien vor einer neuen Phase des Krieges. Analysten sehen darin ein bekanntes Muster, mit dem Russland versucht, westliche Waffenlieferungen durch Einschüchterung zu verhindern. Die Ukraine bestätigt Gespräche über Langstreckenwaffen, eine endgültige Entscheidung aus Washington steht jedoch noch aus.
Wichtige Fakten im Überblick
- Die USA ziehen die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine in Betracht.
- Moskau reagiert mit einer Doppelstrategie aus Drohungen und dem Herunterspielen der militärischen Bedeutung.
- Tomahawks sind für ihre hohe Präzision und ihre Fähigkeit, Ziele tief im gegnerischen Territorium zu treffen, bekannt.
- Westliche Analysten werten die russischen Reaktionen als Zeichen von Besorgnis über die Fähigkeiten des Waffensystems.
- Eine endgültige Entscheidung über die Lieferung seitens der US-Regierung ist noch nicht gefallen.
Moskaus Reaktion zwischen Drohung und Beschwichtigung
Die Nachricht über eine mögliche Tomahawk-Lieferung hat in Russland unterschiedliche, aber durchweg starke Reaktionen ausgelöst. Offiziell kündigte Kremlsprecher Dmitri Peskow eine „angemessene“ Reaktion an, sollte es zu einer Lieferung kommen. Diese zurückhaltende Formulierung steht im Kontrast zu den deutlich schärferen Tönen aus anderen politischen Kreisen.
Der Duma-Abgeordnete Alexei Schurawlew sprach von einer drohenden „neuen Phase des Krieges“ und warnte, dass die USA damit zu einer direkten Kriegspartei würden. Andere Politiker brachten sogar die Verlegung russischer Oreschnik-Raketen nach Venezuela ins Spiel, um die Bedrohung näher an die USA heranzutragen.
Eine bekannte Doppelstrategie
Gleichzeitig versucht der Kreml, die potenzielle militärische Wirkung der Raketen herunterzuspielen. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja behauptete, die Lieferung würde die Lage auf dem Schlachtfeld nicht verändern. Diese zweigleisige Kommunikation – einerseits Drohungen zur Abschreckung, andererseits Beschwichtigung nach innen – ist eine bekannte Taktik.
Ein wiederkehrendes Muster
Das Institut für Kriegsstudien (ISW) weist darauf hin, dass Russland bereits bei früheren Waffenlieferungen wie den HIMARS-Raketenwerfern oder den F-16-Kampfflugzeugen mit ähnlichen Eskalationsdrohungen reagierte. Diese Drohungen führten bisher jedoch nicht zu den angekündigten Konsequenzen. Analysten interpretieren die aktuelle Rhetorik daher als Versuch, die US-Entscheidung durch politischen Druck zu beeinflussen.
Die strategische Bedeutung des Tomahawk-Marschflugkörpers
Die Nervosität in Moskau ist vor allem auf die besonderen Fähigkeiten des Tomahawk-Systems zurückzuführen. Diese Marschflugkörper sind nicht nur schwer von der Luftabwehr zu erfassen, sondern auch für ihre extreme Zielgenauigkeit bekannt.
Präzision im Einsatz
Während des Golfkriegs in den 1990er Jahren wurden fast 300 Tomahawk-Raketen eingesetzt. Berichten zufolge verfehlten nur etwa 15 davon ihr Ziel. Diese hohe Trefferquote macht sie zu einer erheblichen Bedrohung für strategisch wichtige Infrastruktur.
Militäranalyst David Sharp erklärt: „Für Luftabwehrsysteme ist es ziemlich schwierig, diese Rakete zu erkennen und zu zerstören.“ Für die Ukraine würde der Besitz von Tomahawks bedeuten, dass sie in der Lage wäre, militärische Ziele tief im russischen Hinterland anzugreifen. Dazu könnten Rüstungsfabriken, Kommandozentralen und wichtige Militärbasen gehören.
Unsicherheit über die endgültige Entscheidung
Ob die USA die Waffen tatsächlich liefern werden, bleibt unklar. Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte, dass Gespräche über „Langstreckensysteme“ mit Washington geführt werden. Auf die direkte Frage nach einer Lieferung antwortete er ausweichend mit „Wir werden sehen“.
Die Entscheidung liegt letztlich bei US-Präsident Donald Trump, dessen Russland-Politik als unberechenbar gilt. Ein Hinweis auf eine veränderte Haltung der USA kam jedoch kürzlich vom US-Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg. Er betonte, dass es für ukrainische Angriffe auf Ziele tief in Russland keine Einschränkungen mehr gebe.
„Selbst eine kleine Anzahl von Tomahawks könnte der russischen Armee schweren Schaden zufügen.“
Experten bleiben skeptisch
Trotz der eskalierenden Rhetorik sind viele Experten zurückhaltend, was eine tatsächliche Lieferung betrifft. Einige sehen in der Diskussion eher ein politisches Druckmittel.
- Pawel Aksyonow (BBC) bezeichnet eine Lieferung als die „schwerwiegendste Eskalation im gesamten Konflikt“ und erwartet, dass die US-Regierung letztlich davor zurückschrecken wird.
- Roman Switan, ein ukrainischer Militäranalyst, dämpft ebenfalls die Erwartungen. Er verweist auf die bereits schwierigen Verhandlungen über ATACMS-Raketen und merkt an, dass für eine kriegsentscheidende Wirkung „Hunderte oder Tausende“ Raketen nötig wären.
Dennoch schließen Analysten wie David Sharp eine Lieferung nicht vollständig aus. Er argumentiert, dass der bisherige Kriegsverlauf bereits viele unerwartete Wendungen genommen habe. Selbst eine begrenzte Anzahl dieser präzisen Waffen könnte die strategische Lage erheblich beeinflussen und Russlands militärische Kapazitäten empfindlich stören.




