Die Drogeriemarktkette DM plant den Einstieg in den Online-Handel mit rezeptfreien, aber apothekenpflichtigen Medikamenten. Das Vorhaben, das noch in diesem Jahr starten soll, sorgt in Köln für gemischte Reaktionen. Während das Unternehmen von einer notwendigen Modernisierung des Gesundheitssystems spricht, warnen Apotheker und Verbraucherschützer vor den Risiken.
Der Verkauf soll über eine neu gegründete Versandapotheke mit Sitz in Tschechien abgewickelt werden. Dieser Schritt umgeht die deutsche Gesetzgebung, die den Verkauf solcher Arzneimittel in Drogeriemärkten verbietet, und könnte den Wettbewerb für lokale Apotheken in Köln weiter verschärfen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Drogeriekette DM will noch in diesem Jahr apothekenpflichtige Medikamente online verkaufen.
- Der Versand erfolgt aus einem neuen Logistikzentrum in Tschechien, um deutsche Gesetze zu umgehen.
- Kölner Apotheker kritisieren den Mangel an persönlicher Beratung und befürchten eine Gefährdung der Versorgungsqualität.
- Die Zahl der Apotheken in Köln ist in den letzten 15 Jahren um rund 20 Prozent zurückgegangen.
- Verbraucherschützer äußern rechtliche Bedenken und mahnen zur Vorsicht bei Gesundheitsangeboten von fachfremden Anbietern.
DM will Gesundheitsmarkt neu aufstellen
Die Drogeriemarktkette DM hat angekündigt, ihr Geschäftsfeld deutlich zu erweitern. Zukünftig sollen Kundinnen und Kunden rezeptfreie, aber apothekenpflichtige Arzneimittel wie Schmerzmittel, Hustensaft oder Nasenspray direkt über den DM-Onlineshop bestellen können. „Stand heute gehen wir davon aus, dass wir wie geplant noch in diesem Kalenderjahr mit der Versand-Apotheke starten werden“, kündigte Konzernchef Christoph Werner an.
Um dieses Vorhaben rechtlich zu ermöglichen, hat das Karlsruher Unternehmen eine eigene Apotheke samt Verteilzentrum im tschechischen Bor gegründet. Nach geltendem Recht ist der Verkauf dieser Medikamentengruppe in deutschen Drogerie-Filialen verboten. Der Versand aus dem EU-Ausland über eine lizenzierte Versandapotheke ist jedoch zulässig.
DM begründet den Schritt mit einer umfassenden Gesundheitsstrategie. Ziel sei es, „Verbraucherinnen und Verbrauchern Vorsorge und eigenverantwortliche präventive Maßnahmen niederschwellig zu erschwinglichen Preisen zugänglich zu machen“, so das Unternehmen. Werner sieht eine drohende „Gesundheitskrise“, da viele Fachkräfte aus den Gesundheitsberufen in den Ruhestand gehen und zu wenige nachrücken. Angebote außerhalb klassischer Praxen und Apotheken seien daher notwendig.
Wettbewerber prüfen ebenfalls den Einstieg
DM ist nicht das einzige Unternehmen, das den lukrativen Markt für rezeptfreie Arzneimittel im Visier hat. Medienberichten zufolge prüfen auch der Drogerie-Wettbewerber Rossmann sowie der Discounter Lidl ähnliche Pläne für den Einstieg in den Medikamentenversand. Der Wettbewerbsdruck auf etablierte Online-Apotheken und stationäre Apotheken könnte sich dadurch in Zukunft weiter erhöhen.
Kölner Apotheker schlagen Alarm
In Köln stößt der Vorstoß von DM auf erhebliche Kritik. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Köln und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, betont die Wichtigkeit der persönlichen Beratung.
„Arzneimittel sind besondere Produkte, die einer fachkundigen Beratung bedürfen. Diese Beratung bekommt man im persönlichen Gespräch in der Apotheke. Das ist unersetzbar“, so Preis.
Gerade wenn Medikamente schnell benötigt werden, sei die Apotheke vor Ort unverzichtbar. Der Online-Handel könne diese unmittelbare Versorgung nicht leisten. Die Sorge ist groß, dass der neue Wettbewerber die ohnehin angespannte Lage der lokalen Apotheken weiter verschärft.
Apothekensterben in Köln
Die Zahl der Apotheken in Köln ist in den vergangenen 15 Jahren deutlich gesunken. Laut Thomas Preis gab es im Jahr 2010 noch 267 Apotheken in der Stadt. Anfang dieses Jahres waren es nur noch 211. Das entspricht einem Rückgang von rund 20 Prozent. Trotzdem sei die Versorgung der Bevölkerung aktuell noch gewährleistet.
Preis prognostiziert, dass der Eintritt von DM zunächst vor allem etablierte Online-Händler wie DocMorris oder Shopapotheke treffen werde. „Die Konkurrenz durch den Versandhandel kennen wir schon seit 20 Jahren. Trotzdem sind wir weiterhin die wichtigste Anlaufstelle für die Kunden“, erklärt er. Der Versandhandel störe jedoch den gesetzlichen Versorgungsauftrag der Apotheken vor Ort.
Verbraucherschutz äußert rechtliche Bedenken
Auch vonseiten des Verbraucherschutzes wird das Vorhaben kritisch bewertet. Susanne Punsmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen äußert rechtliche Bedenken. Es müsse für Kunden klar ersichtlich sein, dass es sich um das Angebot eines Drittanbieters handelt. Zudem sei fraglich, inwieweit eine pharmazeutische Beratung sichergestellt werde.
„Beim Kauf von Arzneimitteln haben wir es ja nicht nur mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zu tun, sondern mit Patientinnen und Patienten“, gibt Punsmann zu bedenken. Diese seien auf das Fachwissen ihres Gegenübers angewiesen. Der Gesetzgeber habe bewusst zwischen frei verkäuflichen und apothekenpflichtigen Arzneimitteln unterschieden, weil letztere einen erhöhten Beratungsbedarf aufweisen.
Punsmann räumt ein, dass sich der Gesundheitsmarkt verändern wird: „Wir werden neue Angebote bekommen und uns daran gewöhnen müssen, dass Gesundheit nicht immer nur über eine uns bekannte Arztpraxis oder Apotheke vor Ort angeboten wird.“ Gleichzeitig warnt sie davor, dass Gesundheit in die Hände von Fachleuten gehöre, „die es auch objektiv sind und sich nicht nur dafür halten.“
Mehr als nur Medikamente: DM testet Gesundheitsdienste
Der geplante Online-Medikamentenhandel ist nur ein Teil der umfassenderen Gesundheitsstrategie von DM. Das Unternehmen testet bereits weitere Dienstleistungen in ausgewählten Filialen. In vier Läden, darunter auch am Hohenstaufenring in Köln, werden sogenannte Augenscreenings angeboten.
Dabei handelt es sich um eine Netzhautfotografie und einen Sehtest mit einer KI-basierten Auswertung, die laut DM „ärztlich validiert“ sei. Dieses Angebot hat bereits scharfe Kritik von Berufsverbänden der Augenärzte und Dermatologen hervorgerufen. Sie stellen fachliche Standards infrage und warnen vor einer Verunsicherung der Kunden durch möglicherweise fehlerhafte Befunde.
Die Verbände weisen zudem darauf hin, dass Patienten nach einem auffälligen Befund bei der Suche nach einem Termin in einer Facharztpraxis auf Engpässe stoßen könnten. Die Expansion von Drogerieketten in den Gesundheitssektor bleibt somit ein kontroverses Thema, das die Debatte um die zukünftige Versorgung in Köln und ganz Deutschland weiter anheizen wird.




