Wer online Nachrichten liest, kennt das Phänomen: Ein Fenster erscheint und verlangt eine Entscheidung. Entweder man schließt ein Abonnement ab oder man stimmt der Nutzung der eigenen Daten zu. Dieses Modell, oft als „Pur-Abo“ oder „Leistung gegen Daten“ bezeichnet, wird für viele Verlage zur zentralen Finanzierungsquelle.
Doch was genau bedeutet es, mit seinen Daten zu „bezahlen“? Viele Nutzer klicken auf „Akzeptieren“, ohne die Tragweite dieser Entscheidung vollständig zu verstehen. Es handelt sich um einen Tausch: kostenloser Zugang zu journalistischen Inhalten gegen die Erlaubnis, das persönliche Surfverhalten zu analysieren und für personalisierte Werbung zu nutzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele deutsche Nachrichtenseiten bieten ein „Leistung gegen Daten“-Modell an, um ihre Inhalte zu finanzieren.
- Nutzer haben die Wahl zwischen einem kostenpflichtigen Abonnement und der Zustimmung zur Datenverarbeitung für Werbezwecke.
- Die Zustimmung erlaubt den Einsatz von Cookies und ähnlichen Technologien zur Erstellung von Nutzerprofilen.
- Rechtliche Grundlage ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die einen solchen Tausch unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
- Daten können dabei auch an Partner in Ländern außerhalb der EU übermittelt werden.
Was bedeutet „Leistung gegen Daten“?
Das Prinzip „Leistung gegen Daten“ ist im Grunde ein digitaler Tauschhandel. Anstatt mit Euro für einen Artikel zu bezahlen, stellt der Nutzer eine andere wertvolle Ressource zur Verfügung: seine persönlichen Daten. Diese Daten sind die Währung, mit der die Werbeindustrie handelt.
Wenn Sie auf einer Webseite der Datenverarbeitung zustimmen, schließen Sie rechtlich gesehen einen Vertrag mit dem Anbieter. Die Webseite stellt Ihnen den gewünschten Inhalt zur Verfügung, und im Gegenzug erlauben Sie dem Unternehmen, Informationen über Ihre Nutzung zu sammeln und zu verarbeiten.
Die rechtliche Grundlage
Dieses Modell stützt sich auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Dieser Paragraph besagt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, wenn sie „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich ist“. In diesem Fall ist der Vertrag der Tausch von Inhalten gegen Daten.
Für Verlage ist dieses Modell eine Möglichkeit, den Rückgang traditioneller Werbeeinnahmen und die geringe Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten auszugleichen. Die Einnahmen aus personalisierter Werbung sind oft deutlich höher als die aus nicht-personalisierter Werbung.
Welche Daten werden gesammelt?
Wenn Sie zustimmen, erlauben Sie der Webseite und ihren Partnern den Einsatz verschiedener Tracking-Technologien. Diese sammeln Informationen über Ihr Verhalten auf der Seite und potenziell auch über andere Webseiten hinweg.
Zu den gesammelten Daten gehören typischerweise:
- Cookies: Kleine Textdateien, die auf Ihrem Gerät gespeichert werden und eine Wiedererkennung ermöglichen.
- Geräte-IDs: Eindeutige Kennungen Ihres Smartphones, Tablets oder Computers.
- IP-Adresse: Ihre digitale Adresse im Internet, die Rückschlüsse auf Ihren Standort zulässt.
- Browser-Informationen: Welchen Browser und welches Betriebssystem Sie verwenden.
- Nutzungsverhalten: Welche Artikel Sie lesen, wie lange Sie auf der Seite bleiben und welche Links Sie anklicken.
Aus diesen Puzzleteilen wird ein detailliertes Nutzerprofil erstellt. Dieses Profil kann Annahmen über Ihre Interessen, Ihr Alter, Ihr Geschlecht und Ihre Kaufkraft enthalten. Je genauer das Profil, desto wertvoller ist es für Werbetreibende.
Wussten Sie schon?
Personalisierte Werbung kann bis zu viermal mehr Einnahmen generieren als allgemeine, nicht-personalisierte Anzeigen. Für die Finanzierung von kostenlosem Journalismus ist dieser Unterschied entscheidend.
Der Zweck: Mehr als nur Werbung
Die gesammelten Daten dienen in erster Linie dazu, Ihnen maßgeschneiderte Werbung anzuzeigen. Ein Nutzer, der sich für Autos interessiert, sieht Autowerbung; jemand, der nach Reisen sucht, erhält Angebote für Urlaubsziele. Dieser Prozess wird als nutzungsbasierte Werbung bezeichnet.
„Mit Hilfe der aus Ihrer Nutzung gewonnenen Erkenntnisse können wir u. a. Anzeigen und Inhalte gezielter ausspielen, die Nutzerfreundlichkeit unserer Webseite verbessern sowie neue Produkte entwickeln.“
Wie das Zitat andeutet, geht es aber nicht nur um Werbung. Verlage nutzen die anonymisierten Daten auch, um ihre eigenen Angebote zu optimieren. Sie analysieren, welche Themen bei den Lesern besonders gut ankommen, um zukünftige Inhalte besser auf die Interessen des Publikums abzustimmen. Auch die technische Verbesserung der Webseite, etwa die Ladezeiten auf bestimmten Geräten, wird durch diese Analysen unterstützt.
Datenübermittlung in Drittländer
Ein oft übersehener Aspekt in den Datenschutzerklärungen ist die Übermittlung von Daten in sogenannte „Drittländer“. Das sind Staaten außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums, wie zum Beispiel die USA.
In diesen Ländern gilt nicht das strenge Datenschutzniveau der DSGVO. Die Übermittlung ist dennoch unter bestimmten Bedingungen erlaubt, beispielsweise wenn sie zur Vertragserfüllung notwendig ist. Dies ist in Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe b der DSGVO geregelt.
Für Nutzer bedeutet dies, dass ihre Daten von Unternehmen verarbeitet werden könnten, die nicht den europäischen Datenschutzregeln unterliegen. Dies birgt potenzielle Risiken, da der Zugriff durch ausländische Behörden oder eine Weitergabe der Daten an Dritte unter Umständen leichter möglich ist.
Ihre Rechte als Nutzer
Die Entscheidung für oder gegen die Datenfreigabe ist nicht in Stein gemeißelt. Jeder Nutzer hat das Recht, seine einmal erteilte Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Die meisten Webseiten bieten dafür eine Möglichkeit in den Datenschutzeinstellungen oder im Footer der Seite.
Ein Widerruf bedeutet jedoch in der Regel, dass der Zugang zu den kostenlosen Inhalten endet. Der Nutzer wird dann erneut vor die Wahl gestellt: ein Abonnement abschließen oder der Datenverarbeitung wieder zustimmen.
Letztlich ist das Modell eine transparente, wenn auch komplexe Lösung für ein grundlegendes Problem des Internets: Hochwertiger Journalismus kostet Geld. Die Frage, die jeder Nutzer für sich beantworten muss, lautet: Womit möchte ich bezahlen – mit meinem Geld oder mit meinen Daten?




